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Richtig valsch

- Von Christof Meueler

Mit

der Musik von Family 5 ist es so ähnlich wie mit den Zügen vom »Gleis neundreivi­ertel« in den Harry-Potter-Büchern: Damit gelangt man zu den Abenteuern, doch das wissen nur Eingeweiht­e. In den Rowling-Romanen fahren vom »Gleis neundreivi­ertel« im Londoner Bahnhof King’s Cross nur die Zauberschü­ler ab, alle anderen Menschen können es gar nicht sehen.

Auch die Musik von Family 5 führt in eine phantastis­che Parallelwe­lt, in die des Indie-Punk der alten BRD, in der ihr Frontmann Peter Hein der beste Sänger und Dichter ist – und weil kein anderer Dichter seine Texte so toll singt wie er. »Diese Stimme sagt: Du bist gerettet. Aber nur wenn du immer in Bewegung bleibst«, schrieb Peter Glaser mal in einem Booklet eines Family-5-Samplers.

Vor langer Zeit wäre Peter Hein beinahe auch für andere Menschen als Popstar sichtbar geworden, doch er hatte dazu keine Lust. Er wollte lieber Teil des MusikUnter­grunds bleiben, der zu Beginn der 1980er linksradik­al und lustig war, geprägt von einem Humor zwischen Helge Schneiders Eduscho-Studien und der Besserwiss­erei von Tick, Trick und Track.

1981 verließ Peter Hein die Fehlfarben nach ihrem kanonische­n Debütalbum »Monarchie und Alltag« und ihrem einzigen Hit »Es geht voran«. Mit seinem Freund Xao Seffcheque gründete er die Zweitband Family 5. »I don’t care! Kehren tut der Müllmann. Plattenbau

Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

Ich doch nicht. Es gibt Sachen, die sind egal. Ich finde mich auch nicht verbittert. Ich finde halt nur alles scheiße«, sagte er später in Jürgen Teipels Interviewb­uch »Verschwend­e deine Jugend«.

Da war er schon längst wieder bei den Fehlfarben, um mit ihnen mehrere Comebacks zu feiern. Aber die waren nicht mehr so wichtig, denn die bessere Musik spielten fast immer Family 5: Soulpunk mit Bläsern, Tempo und Zorn. Heute erscheint ihre neue Platte »Ein richtiges Leben in Flaschen«. Der Titel ironisiert Robert Gernhardt (»Es gibt kein richtiges Leben im valschen«), der wiederum Theodor W. Adorno ironisiert­e. Neue Frankfurte­r Schule und alte Frankfurte­r Schule, auch wenn dieses Album vom Kulturamt der Stadt Köln gefördert wurde, obwohl die Band aus dem dort angeblich verhassten Düsseldorf stammt.

Es gibt Anklänge an Progrock mit Flöte, aber auch Gitarren á la AC/DC. Von Kraftwerk wird »Autobahn« gecovert und von den Beatles das Plattencov­er von »Sgt. Pepper’s«. Wem das zu veteranenh­aft vorkommt, dem raten Hein und Seffcheque, beide über 60: »Stirb jung (…) leb schnell, doch die Gelenke müssen Schonung haben.«

Von 13 Liedern sind drei Hymnen. Mehr werden sie von der neuen Platte auf ihrer Tour ab Oktober eh’ nicht spielen können, denn sie müssen ihre ganzen anderen Hits, die nie welche wurden, bringen. Family-5-Konzerte sind Abenteuer. Findet »Gleis neundreivi­ertel« und es geht los.

Family 5: »Ein richtiges Leben in Flaschen« (Tapete/Indigo)

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