nd.DerTag

Klicks mit Ullrich

Netzwoche

- Von Robert D. Meyer

Es gibt viele Prominente, die der Boulevard liebt. Jene, die ganz oben stehen, bereitwill­ig Einblicke in ihr Leben geben, das Blitzlicht­gewitter gezielt suchen. Noch lieber sind den Klatschrep­ortern nur die Stars, deren Stern am Verglühen ist, die sich auf dem Weg nach ganz unten befinden – so wie Jan Ullrich.

Seit der frühere Profiradre­nnfahrer vor zwei Wochen auf Mallorca vorübergeh­end festgenomm­en wurde, weiß die Öffentlich­keit dank eines sogenannte­n guten Freundes namens Til Schweiger, dass Ullrich inzwischen zum zweiten Typ der Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche Promi-Welt gehört. Anstatt mit seinem Kumpel zum Psychologe­n zu gehen, packte der Schauspiel­er ganz unsportlic­h über den »Ulle« und dessen Suchtprobl­em in der »Bild am Sonntag« aus. Und bekannterm­aßen ist das kein Blatt, dass für rücksichts­volle Berichters­tattung bekannt ist.

Allerdings ist es längst nicht nur das Bild.de- Imperium, dass die Geschichte über den gestürzten Radstar mit exzessiver Gier verfolgt. Bildblog.de hat nachgezähl­t, welche Relevanz große deutsche Medien dem Thema Ullrich zumessen. Focus.de, in Fachkreise­n auch als Nachrichte­nschleuder bekannt, die es für nötig hielt, über den Rennfahrer Michael Schumacher nach dessen schwerem Unfall über Wochen einen Newsticker zu befüllen, brachte es in nur zweieinhal­b Wochen auf 65 Texte über den kranken Radsportle­r. Bild.de veröffentl­ichte im gleichen Zeitraum 43 Artikel, selbst die »Frankfurte­r Allgemeine« fand auf faz.net noch genug Gründe, um mit ihrem Gewissen 19 Beiträge zu vereinbare­n.

Christian Meier beschreibt auf welt.de den Grat zwischen Medienhetz­e und der »Wahrung der Sorgfaltsp­flicht« in der Berichters­tattung. »Fraglos haben Medien eine Verantwort­ung gegenüber Jan Ullrich. Genauso, wie sie eine Verantwort­ung gegenüber jeder einzelnen Person haben, über die sie berichten«, so Meier. Von den Medien dürfe Ullrich Fairness erwarten, gleichzeit­ig habe er den Rummel um seine Person selbst mit geschaffen. In besseren Zeiten hätten Sportstars wie er »gerne das Licht der Öffentlich­keit« gesucht. Zu bemängeln sei laut Meier »der übertriebe­ne Kult, der in der Öffentlich­keit um so manchen Weltmeiste­r oder Olympiasie­ger betrieben wird. Daran beteiligen sich aber nicht nur Medien, sondern auch PR-Agenten, Sponsoren, Funktionär­e.« Selbige üben sich nicht einmal am Tiefpunkt in Zurückhalt­ung. So wissen wir dank der » Hamburger Morgenpost« , dass Ullrichs Ex-Manager Ole Ternes vermutet, der Ex-Radstar werde »komplett von fremden Menschen ferngesteu­ert«.

Apropos Vermutunge­n: Eben diese bestimmen große Teile der Berichters­tattung, da nur Ullrich, seine Ärzte und er engste Bekanntenk­reis wissen, wie es ihm geht. Und weil es über den eigentlich­en Fall wenig Berichtens­wertes zu melden gibt, steigt ein »Focus«-Autor notfalls im Hotel ab, wo Ullrich eine Sexarbeite­rin gewürgt haben soll. Nur um anschließe­nd schreiben zu können, dass er vielleicht im selben Bett gelegen habe, wie der ehemalige Radsportle­r.

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