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Überschuss auf Kosten der Infrastruk­tur

Bund, Länder und Gemeinden erwirtscha­fteten im ersten Halbjahr ein Plus von 48,1 Milliarden Euro

- Von Simon Poelchau

Allein in der Bildung weisen die Kommunen einen Investitio­nsstau von 55 Milliarden Euro auf. Auch der Bund hat seine Hausaufgab­en in Sachen Infrastruk­tur noch nicht gemacht. Der Staat spart derzeit ordentlich Geld. Das Statistisc­he Bundesamt bezifferte am Freitag den Überschuss von Bund, Ländern und Kommunen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf insgesamt 48,1 Milliarden Euro. Gemessen an der Wirtschaft­sleistung bedeutet dies eine Überschuss­quote von 2,9 Prozent. Doch Experten warnen, dass an der falschen Stelle gespart wird. Vor allem Kommunen brauchen mehr Mittel, um in den Erhalt ihrer Infrastruk­tur zu investiere­n.

Eigentlich wäre dazu gerade der richtige Moment – auch im zweiten Quartal dieses Jahres ist die Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um 2,3 Prozent gestiegen. Und eine gute Konjunktur bedeutet für den Staat in der Regel höhere Steuereinn­ahmen. So stiegen die Einnahmen durch Einkommens- und Vermögenss­teuern im ersten Halbjahr um 7,2 Prozent. Auch die niedrigen Zinsen trugen zum Plus im Staatshaus­halt bei.

Zwar investiert der Staat wieder mehr als in vergangene­n Jahren, doch scheint dies nicht genug zu sein. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) sollte »jetzt endlich die öffentlich­e Investitio­nslücke schließen, um den sozialen Zusammenha­lt und Zukunftsch­ancen zu stärken«, erklärte der Vizefrakti­onschef der LINKEN im Bundestag, Fabio De Masi.

Erst vor einer Woche sorgte die staatliche Förderbank KfW mit einer Zahl für viel Aufregung: Ihr zufolge beläuft sich allein der Investitio­nsrückstan­d an kommunalen Schulen und Kitas auf 55 Milliarden Euro. Insgesamt geht die KfW von einem Bedarf von 159 Milliarden Euro aus, um die kommunale Infrastruk­tur wieder auf Vordermann zu bringen.

»Man sollte sich jetzt Gedanken machen, wie man Kommunen unterstütz­en kann, die noch nicht in-

vestieren können«, sagte Konjunktur­experte Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) gegenüber »nd«. Ihm zufolge entfällt der Großteil des öffentlich­en Investitio­nsstaus auf die Kommunen und dort vor allem auf Bildung und Straßen.

Dabei ist die Situation der Kommunen bei weitem nicht so rosig wie die von Bund und Ländern. Vom Milliarden­überschuss der ersten sechs Monate entfielen auf sie nur 6,6 Milliarden, während der Bund ein Plus von 19,5 Milliarden und die Länder ein Plus von 13,1 Milliarden Euro verzeichne­ten. Hinzu kommt, dass es weiter eine große Kluft zwischen reichen und armen Kommunen gibt, die nicht investiere­n können.

Bei Bund und Ländern gibt es Michelsen zufolge bezüglich des Investitio­nsstaus keine so präzisen Schätzunge­n wie bei den Gemeinden. Sein Institut schätzte 2013, dass Bund und Länder damals jährlich zehn Milliarden Euro zu wenig in die Infrastruk­tur investiert haben. Mittlerwei­le hat vor allem der Bund etwas aufgestock­t, so dass er nicht mehr auf Verschleiß fährt. »Doch ist dies nicht genug, um die vergangene­n Jahrzehnte wieder vergessen zu machen«, so Michelsen.

»Man sollte sich jetzt Gedanken machen, wie man Kommunen unterstütz­en kann, die noch nicht investiere­n können.« Claus Michelsen, DIW

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