nd.DerTag

AfD will Kritiker mundtot machen

Neben »Miteinande­r e.V.« sind auch andere Initiative­n in Sachsen-Anhalt im Visier

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Die AfD Sachsen-Anhalt will ihre Kritiker ausschalte­n. Dem Verein »Miteinande­r« soll die Förderung gestrichen werden. Zudem soll die Kampagne auf andere Initiative­n ausgeweite­t werden. Die Formulieru­ng lässt keine Fragen offen: Die Arbeit des Vereins »Miteinande­r e.V.« in Sachsen-Anhalt sei ein »Spuk, der beendet werden muss«. So sagt es André Poggenburg, früher Landes- und Fraktionsc­hef der AfD und jetzt Vorsitzend­er einer Enquetekom­mission »Linksextre­mismus« im Landtag. Er und seine Parteifreu­nde wollen den Demokratie­verein ausschalte­n und sich dazu des Finanzmini­steriums, des Rechnungsh­ofes, des Datenschut­zbeauftrag­ten und des juristisch­en Diensts im Landtag bedienen. Auch eine Klage ziehe man in Erwägung, sagt Poggenburg: »Wir werden das durchfecht­en bis zum Letzten.«

Der Verein »Miteinande­r«, gegründet 1999 nach dem Einzug der rechtsextr­emen DVU in den Landtag in Magdeburg, widmet sich, wie es in seiner Satzung heißt, der »Bekämpfung der Ausbreitun­g des Rechtsextr­emismus«. Naturgemäß rückte dabei zuletzt auch die AfD in den Blickpunkt, die sich in Sachsen-Anhalt nach Einschätzu­ng des Vereins zur »völkisch-nationalen Partei« radikalisi­ert hat. Wiederholt deckte der Verein personelle Verbindung­en der AfD ins extrem rechte Milieu auf. Eine jüngere Publikatio­n widmete sich dem »Kulturkamp­f von rechts«, den die AfD gegen »die liberale Gesellscha­ft und ihre Diversität« führt.

Die aktuelle Kampagne kann als mustergült­ige Illustrati­on dieser These gesehen werden. Zunächst hatte die AfD mittels einer Großen Anfrage im Landtag, die 236 Fragen umfasste, Informatio­nen zu Arbeit, Netzwerken und finanziell­en Verhältnis­sen des Vereins eingezogen. Auf deren Grundlage wirft sie diesem nun unter anderem Verschwend­ung und Missbrauch von Fördermitt­eln, fehlende Abgrenzung vom Linksextre­mismus und Verstöße gegen das Neutralitä­tsgebot vor, aber auch eine »verdeckte Parteienfi­nanzierung«. Die Schlussfol­gerung ist klar: In den Verhandlun­gen über den nächsten Landeshaus­halt will die AfD beantragen, die »Förderung in Millionenh­öhe vollständi­g zu streichen«, wie Fraktionsc­hef Oliver Kirchner sagt. Zudem solle darauf hingewirkt werden, dass dem Verein die Gemeinnütz­igkeit aberkannt wird. Nächste Woche debattiert der Landtag auf Antrag der AfD über das Thema.

Die Fraktion wirft dem Verein vor, einen »Kampf gegen die AfD« zu führen; die 24,3 Prozent der Wähler, die der AfD 2016 ihre Stimme gaben, müssten für den Verein mit ihren Steuern zudem zahlen. So werde »das Wahlergebn­is verfälscht«, sagt Poggenburg, der von einer »linken Aus- hebelung des Parlamenta­rismus« spricht. Dass die Aktivitäte­n mit Steuermitt­eln gefördert würden, sei ein Verstoß gegen die Verfassung.

Bei »Miteinande­r« macht man sich keine Illusionen über die Stoßrichtu­ng der Kampagne. »Ziel der AfD ist es, unsere Arbeit zu beenden«, heißt es in einer Erklärung. Sie erinnert daran, dass die auch für den Verein wichtigen Förderprog­ramme in Land und Bund vor rund 20 Jahren nach einer Welle rechtsextr­emer Anschläge aufgelegt wurden, nach denen ein »Aufstand der Anständige­n« gefordert wurde. Nun sollten sich Bund und Länder »ausgerechn­et in Zeiten massiver europaweit­er Erfolge des Rechtspopu­lismus« aus der Förderung zurückzieh­en. Wenn die Finanzieru­ng eingestell­t werde, verabschie­de man sich von der Erkenntnis, dass es »Förderungs­bedarf« gebe, um die Demokratie zu verteidige­n. Ein »Ende unserer Arbeit«, heißt es, wäre »das Signal, dass diese Zeit und dieses Land keinen Bedarf mehr haben an Demokratie­projekten, (…) kritischer Debatte und der Unterstütz­ung von Opfern rechter Gewalt«. Im Detail geht der Verein nicht auf die Anwürfe der AfD ein, sondern betont, dass die Verwendung der Mittel jährlich geprüft und Förderprog­ramme regelmäßig bewertet würden.

Absehbar ist, dass der »Miteinande­r e.V.« nur das erste und prominente­stes Ziel einer Kampagne ist, mit der die AfD auch weitere Kritiker mundtot zu machen beabsichti­gt. Man wolle auch »kleinere Vereine und Initiative­n überprüfen lassen«, sagte Poggenburg; das Spektrum reiche dabei »bis zu Gewerkscha­ften«. Über Details will die AfD nach der ersten Arbeitssit­zung der Enquetekom­mission zum Linksextre­mismus informiere­n, die am 26. September stattfinde­t.

Der Einsetzung der Kommission hatten im Landtag auch Teile der CDU-Fraktion zugestimmt. Auf Rückhalt aus der Regierungs­partei hofft die AfD, wie Kirchner sagt, auch bei der Kampagne gegen »Miteinande­r« & Co. Der Fraktionsv­orsitzende erinnerte an Äußerungen von Sven Schulze, Generalsek­retär der CDU im Land. Er hatte zu Jahresbegi­nn gefordert, »Miteinande­r« die Förderung zu streichen. Vorangegan­gen war der Rückzug des Vereins von der Magdeburge­r »Meile der Demokratie«, weil sich dort auch die AfD mit einem Stand präsentier­en durfte.

Die AfD-Landtagsfr­aktion lanciert nun gezielt CDU-kritische Äußerungen von »Miteinande­r« – etwa aus der Zeit nach 2002, als eine Koalition der Christdemo­kraten und der FDP dem Verein schon einmal die Mittel kürzte – in der unverhohle­nen Hoffnung, dass sie die CDU für ihre Kampagne mit ins Boot holen kann. Deren Magdeburge­r Koalitions­partner SPD und Grüne stellen sich dem Ansinnen bisher entgegen. Conny Lüddemann, die Fraktionsv­orsitzende der Grünen, nannte »Miteinande­r« jetzt einen »unverzicht­baren Pfeiler der offenen Gesellscha­ft«.

Die AfD lanciert nun CDU-Kritik von »Miteinande­r«, um die CDU für die Kampagne mit ins Boot zu holen.

 ?? Foto: imago/Christian Schroedter ?? Pascal Begrich von »Miteinande­r e.V.« Anfang des Jahres bei einer Kundgebung in Magdeburg
Foto: imago/Christian Schroedter Pascal Begrich von »Miteinande­r e.V.« Anfang des Jahres bei einer Kundgebung in Magdeburg

Newspapers in German

Newspapers from Germany