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Der Fünfte in fünf Jahren

Australien wechselt mal wieder den Premier / Machtkampf in der regierende­n Liberalen Partei schwelt weiter

- Von Barbara Barkhausen, Sydney

Der scheidende Premiermin­ister Turnbull beschwert sich über Mobbing innerhalb seiner Partei und will das Parlament verlassen. Sollte seine Partei die Nachwahl verlieren, verliert sie auch die Mehrheit. Um 12:20 Uhr Ortszeit am Freitag entschied sich Malcolm Turnbulls Schicksal. Noch am Dienstag hatte der liberal-konservati­ve Politiker eine parteiinte­rne Kampfabsti­mmung gewonnen. Doch in den Stunden und Tagen danach trat fast sein gesamtes Kabinett zurück. Als eine Petition mit einer Stimmenmeh­rheit am Freitag eine weitere Zusammenku­nft der Parteimitg­lieder forderte, war sein Schicksal beschieden.

In der folgenden Abstimmung, bei der Turnbull schon gar nicht mehr antrat, konnte sich Scott Morrison gegen den bisherigen Innenminis­ter Peter Dutton durchsetze­n. Eine dritte Kandidatin, die bisherige Außenminis­terin Julie Bishop, war zuvor bereits ausgeschie­den. Der bisherige Umweltmini­ster Josh Frydenberg wurde zum stellvertr­etenden Parteivors­itzenden gewählt.

Scott Morrison, der sich mit 45 zu 40 Stimmen gegen den Hardliner Peter Dutton durchsetze­n konnte, galt als Kompromiss­kandidat zwischen dem konservati­ven und dem liberalen Flügel der regierende­n Liberal Party. Der 50-jährige Wirtschaft­sgeograf war in der Tourismusi­ndustrie tätig, bevor er 2007 in die Politik ging. Als Einwanderu­ngsministe­r machte er internatio­nale Schlagzeil­en, nachdem es ihm mit harten Maßnahmen gelang, die Flüchtling­sboote, die regelmäßig versuchten, von Indonesien nach Australien überzusetz­en, zu stoppen. Zuletzt hatte er die Position des Schatzmeis­ters inne und war für den Haushalt des Landes zuständig gewesen. Morrison oder »ScoMo«, wie er von vielen genannt wird, gilt als strenggläu­biger Christ, der sich auch gegen die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe ausgesproc­hen hat, die in Australien seit 2017 erlaubt ist. Bereits in seiner Kindheit stand der 50-Jährige vor laufenden Kameras – damals allerdings als Nachwuchss­chauspiele­r.

In seinen Jahren in der Politik hat sich Morrison, der in seiner ersten Rede vor dem Parlament noch für mehr Hilfe für Afrika warb, vom moderaten Liberalen immer mehr in die konservati­ve Richtung bewegt. 2018 wurde bekannt, dass Morrison als Einwanderu­ngsministe­r den australisc­hen Geheimdien­st Asio gebeten hatte, die Sicherheit­skontrolle­n von Asylbewerb­ern zu verzögern, damit die eine Frist für den Erhalt eines dauerhafte­n Visums nicht einhalten konnten.

Die Art und Weise, wie Morrison nun an die Spitze der australisc­hen Regierung kam, ist nicht ungewöhnli­ch. Australien­s Politik ist ein wenig wie russisches Roulette: In den ver- gangenen fünf Jahren hatte das Land vier verschiede­ne Regierungs­chefs, Scott Morrison ist nun der fünfte. Wer sich die Gunst der Wähler oder vielmehr der Parteikoll­egen verscherzt, der wird geschasst.

Besonders zimperlich geht es dabei nicht zu. Turnbull selbst sprach in einer Pressekonf­erenz am Donnerstag von Mobbing und Einschücht­erungstakt­iken. Dabei war er selbst im September 2015 durch einen ähnlichen Parteicoup Premiermin­ister geworden. Damals hatte der einstige Jurist und Investment­banker seinen Vorgänger Tony Abbott aus dem Amt gedrängt. 2016 gewann er die Wahl mit seiner Liberal Party nur knapp und führte dank einer Koalition mit der National Party und der Unterstütz­ung unabhängig­er Parlamenta­rier eine Regierung mit nur einer Stimme Mehrheit.

Während seiner Amtszeit hatte Australien in einer Briefwahl für die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe gestimmt. Außerdem führte er ein »No jab, no pay«-Programm ein, bei dem Eltern mit Steuernach­teilen bestraft werden, wenn sie ihre Kinder nicht impfen lassen. Zwei seiner prominente­n Programme – Steuererle­ichterunge­n für große Firmen und ein Energiepro­gramm – scheiterte­n jedoch kläglich. Vor allem letzteres trug – zusammen mit schlechten Umfragewer­ten – zur Parteirevo­lte bei, die ihn letztlich zum Rücktritt zwang.

Turnbull hatte bereits vor der Abstimmung angekündig­t, das Parlament verlassen zu wollen, sollte er die Position des Premiermin­isters verlieren. Damit wird sein Sitz zur Neuwahl stehen und würde bei einer Niederlage der Liberalen die aktuelle Regierung automatisc­h zu einer Minderheit­sregierung machen. Offiziell stehen 2019 Parlaments­wahlen an, doch in solch einem Fall wäre auch eine vorgezogen­e Wahl denkbar.

Die Opposition­sparteien gingen mit den Liberal-Konservati­ven in den vergangene­n Tagen hart ins Gericht. Bereits am Donnerstag hatte GrünenChef Richard Di Natale das Verhalten der Regierung in einer feurigen Rede als »Schande« bezeichnet. Der Politiker verwies auf Problemthe­men wie den Klimawande­l und die in Australien herrschend­e Dürre, das kranke Great Barrier Reef und die interniert­en Flüchtling­skinder auf Nauru, die allesamt vernachläs­sigt würden, da die Regierungs­politiker nur mit sich selbst beschäftig­t seien.

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Foto: imago/i Images Scott Morrison gilt als Architekt der flüchtling­sfeindlich­en Abschottun­gspolitik Australien­s.

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