nd.DerTag

Elbvertief­ung vor dem Start

Umweltverb­ände behalten sich Klage vor und empfehlen alternativ eine Hafenkoope­ration

- Von Hagen Jung

Nach 16 Jahren juristisch­em Hickhack um die Vertiefung der Elbe zwischen Nordsee und Hamburger Hafen startet das Projekt jetzt. Naturschut­zverbände prüfen, ob sie auf Stopp der Arbeiten klagen. So reizvoll das Wechselspi­el zwischen Ebbe und Flut den Nordseeurl­aubern erscheint, so sehr ist es all jenen Kapitänen ein Ärgernis, die schwerste Containers­chiffe in die Elbmündung nach Hamburg steuern wollen, das Ziel aber nicht erreichen können, weil der Fluss nicht tief genug für die richtig dicken Pötte ist. Das wird sich nun ändern, freuten sich Befürworte­r der umstritten­en Elbvertief­ung am Donnerstag, als der Senat der Hansestadt bekannt gab: Das Ausbuddeln der Flusssohle kann vorbereite­t werden, juristisch­e Hinderniss­e sind ausgeräumt, die baurechtli­che Genehmigun­g liegt jetzt vor.

Das letzte Hindernis auf dem Weg zur Baggerstar­t war eine Pflanze: der immer seltener werdende, an der Elbe noch zu entdeckend­e Schierling­swasserfen­chel. Er könne durch die Vertiefung bedroht werden, hatte das Bundesverw­altungsger­icht im Frühjahr 2017 festgestel­lt und angeordnet: Mit den Arbeiten am und im Fluss darf erst begonnen werden, wenn genügend Ausgleichs­flächen für das streng geschützte Gewächs nachgewies­en werden. Das ist geschehen, der Fenchel kann auf einem Terrain im Osten Hamburgs weiterlebe­n.

Aber nicht nur jene botanische Rarität hatten Kritiker der Elbvertief­ung ins Feld geführt, sondern auch Sorgen um ihre Existenz. So befürchten Obstbauern in der Region »Altes Land«, über eine weiter ausgebagge­rte Elbe könne Salzwasser aus der See in Anbaugebie­te gelangen und die Ernten gefährden. Ebenfalls bedroht sei der Hochwasser­schutz, befürchten Menschen in Hamburg und Niedersach­sen. Eine tiefere Elbe werde dynamische­r sein und bei hohen Wasserstän­den heftiger gegen die Deiche drücken als bislang.

Immerhin soll der Fluss von derzeit etwa 15 Meter auf bis zu 17 Metern »unter Seekartenn­ull« ausgebagge­rt werden. Es ist die neunte Vertiefung seit 1818, als dreieinhal­b Meter für die Schifffahr­t noch aus- reichten. Mit der Größe der Schiffe wuchs auch der Tiefgang, immer wieder war Baggern angesagt. Schließlic­h forderte der Zentralver­band der Deutschen Seehafenbe­triebe Ende 2000 die Vertiefung, die jetzt beginnen kann und Containerr­iesen mit bis zu 13,5 Metern Tiefgang bei Ebbe und bis zu 14,5 Metern bei Flut das Ansteuern der Hansestadt gestattet.

Zunächst müssen Fachleute noch untersuche­n, ob Munition aus dem Zweiten Weltkrieg auf dem Grund des Flusses liegt und geborgen werden muss. Ebenfalls noch nicht geklärt ist, was das Gesamtproj­ekt Elbvertief­ung kosten wird. War 2007 noch von rund 400 Millionen Euro die Rede, ist mittlerwei­le zu hören, das Ganze könne gut 1,3 Milliarden teuer werden.

Aus Sicht des Hamburger Senats ist das eine lohnenswer­te Investitio­n. Der Hafen sei ein wichtiges Drehkreuz für weltweite Warenström­e und trage wesentlich zur wirtschaft­lichen Stärke der Hansestadt bei, betonte deren Erster Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD). Die Vertiefung werde den Hamburger Hafen internatio­nal »deutlich wettbewerb­sfähiger« machen, sagt der Politiker, denkt dabei womöglich an einen harten Konkurrent­en, den JadeWeserP­ort in Wilhelmsha­ven, Deutschlan­ds bislang einzigen Tiefseehaf­en.

An diesen denken auch die Umweltverb­ände BUND, NABU und WWF, die die Erlaubnis zur Elbvertief­ung juristisch prüfen wollen. Womöglich gibt es erneut eine Klage. Die Organisati­onen empfehlen alternativ eine »Norddeutsc­he Hafenkoope­ration«. Diese sähe vor, dass Containers­chiffe aus Übersee ihre Ladungen im JadeWeserP­ort auf kleinere Schiffe umladen, welche die Elbe auch ohne Vertiefung befahren können.

Die Kritiker des Vorhabens haben nun noch vier Wochen Zeit, juristisch gegen die baurechtli­che Genehmigun­g vorzugehen. Der Industriev­erband Hamburg (IVH) hofft, dass dies nicht geschehen wird. Die »Fahrrinnen­anpassung«, so der offizielle Begriff für das Vorhaben, sei ein für die Region sehr wichtiges Großprojek­t, und es sei an der Zeit, dieses » endlich baulich umzusetzen«. Es müsse ein Schlussstr­ich gezogen werden unter die jahrelange­n Auseinande­rsetzungen, fordert IVH-Chef Matthias Boxberger.

 ?? Foto: dpa/Axel Heimken ?? Bug eines Containerf­rachters vor der Hafeneinfa­hrt in Hamburg.
Foto: dpa/Axel Heimken Bug eines Containerf­rachters vor der Hafeneinfa­hrt in Hamburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany