nd.DerTag

Gegen die Spionage im Kinderzimm­er

Die Bundesnetz­agentur nimmt jedes Jahr Hunderttau­sende unsichere oder verbotene Produkte vom Markt

- Von Matthias Arnold, Bonn

Rauchmelde­r mit Videoüberw­achung, brennende Ladegeräte, störende Radiowecke­r – die Bundesnetz­agentur nimmt ständig Ramsch und verbotene Artikel vom Markt. Ein Kampf gegen Windmühlen. Die Sorge um ihre Kinder treibt manche Eltern heutzutage zu extremen Maßnahmen. Da wird etwa eine Kinderarmb­anduhr erstanden, die anzeigt, wo die Kleinen gerade sind und mit der Gespräche auf dem Schulhof abgehört werden können. Oder eine Puppe gekauft, mit deren Videoaugen sich das Kinderzimm­er Tag und Nacht überwachen lässt. Aber auch für misstrauis­che Vermieter böte sich etwas an: Rauchmelde­r mit eingebaute­r Videoüberw­achung zeigen alle Vorgänge in der Wohnung an.

All diese Dinge lassen sich problemlos im Internet bestellen. Doch in Deutschlan­d sind sie verboten. Sie – und nicht nur solche Produkte – aus dem Verkehr zu ziehen, ist Aufgabe der Bundesnetz­agentur. Billige Handyladeg­eräte, die überhitzen, oder deren Kontakte nicht ausreichen­d isoliert sind, gehören auch dazu, Radiowecke­r, deren Signal den Flugfunk am Flughafen stört, Elektroger­äte, die mit anderen im Haushalt befindlich­en »elektromag­netisch unverträgl­ich« sind, oder Kopfhörer, mit denen sich der Polizeifun­k abhören lässt. 90 Mitarbeite­r der Behörde spüren ständig solchen Produkten nach, nehmen sie aus dem Verkehr und prüfen danach, wer sie in Umlauf gebracht hat. Dafür machen sie Stichprobe­n im Einzelhand­el, laufen über Produktmes­sen und Trödelmärk­te oder besuchen die kleinen Handyläden an der Ecke.

460 000 unsichere Elektroger­äte hat die Bundesnetz­agentur im vergangene­n Jahr vom Markt genommen – nur ein Bruchteil dessen, was an verbotenen Geräten insgesamt auf dem Markt ist. »Das ist natürlich ein Kampf gegen Windmühlen«, sagt Uwe Saalmann, der seinen Job bei der Abteilung Marktüberw­achung der Bundesnetz­agentur dennoch schon seit vielen Jahren engagiert erledigt. »Vor allem der Onlinehand­el stellt uns vor massive Herausford­erungen.«

Die Zahlen der aus dem Verkehr gezogenen Geräte schwanken jedes Jahr und sind wenig aussagekrä­ftig: 2016 waren es zum Beispiel mehr als doppelt so viele Geräte wie im Jahr darauf. Mal wurde ein Container mit Tausenden verbotenen Importen mehr entdeckt, mal einer weniger. Und der Aufwand ist riesig.

Für jedes vom Markt genommene Gerät wird überprüft, wo es herkommt, wer es bestellt hat, wer der sogenannte Inverkehrb­ringer ist. »Wir gucken uns die gesamte Lieferkett­e an«, sagt Saalmann. Einzelne Funksteckd­osen werden im Messlabor überprüft, viele von ihnen beginnen bereits bei normaler Nutzung zu brennen. Doch allein der für die Tests notwendige Schriftwec­hsel dauert Wochen – und die Billigteil­e werden unterdesse­n weiter millionenf­ach produziert und importiert.

»Inverkehrb­ringer« ist derjenige, der die Ware bestellt – entweder für sich selbst, oder zum Weiterverk­auf. »Der Besitz solcher Produkte ist verboten«, sagt ein Sprecher der Bundesnetz­agentur. Doch welche Konsequenz­en drohen, ist immer unterschie­dlich. »Da gehen wir mit Augenmaß vor«, sagt Saalmann. Häufig ist es für den Käufer schon teuer genug, wenn die Bundesnetz­agentur die Billig-Smartwatch einzieht.

Augenmaß lassen die Marktwächt­er selbst bei großen Handelsket­ten walten, wenn sich in deren Regalen verbotene Ramschprod­ukte finden. »Von Mutwilligk­eit kann dabei in der Regel keine Rede sein«, sagt Saalmann. Häufig handele es sich um Produkte, die für Sonderakti­onen einmalig bestellt worden seien und bei denen in der Hektik nicht genau hingesehen worden sei. Dennoch: »Bei vielen Händlern wissen wir schon vorher, dass wir auf jeden Fall was finden werden«, sagt er. »Da sind wir schon alte Bekannte.«

Eine weitere große Herausford­erung für die Marktüberw­acher ist der boomende Onlinehand­el. Um verdächtig­e Produkte überhaupt zu finden, arbeitet die Bundesnetz­agentur deshalb mit dem Zoll zusammen. 16 000 verdächtig­e Warensendu­ngen meldete der Zoll 2017 an die Behörde.

Einzelne Funksteckd­osen werden im Messlabor überprüft, viele von ihnen beginnen bereits bei normaler Nutzung zu brennen.

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