nd.DerTag

Im Hochamt der Bundestrai­ner

Dunja Hayali und das ZDF-»Sportstudi­o«

- Von Jan Freitag

An diesem Wochenende debütiert die ZDF-Moderatori­n Dunja Hayali im »Aktuellen Sportstudi­o« des ZDF. Doch in der Woche vor dem Debüt rückte ein anderes Thema in den Fokus: Weil sie Moderation­sjobs in der Wirtschaft übernahm, geriet die 44-Jährige in die Kritik. Hayali rechtferti­gte sich damit, dass sie die Nebentätig­keiten oftmals ehrenamtli­ch ausübe oder die Veranstalt­er bitte, das Honorar zu spenden. Gleichwohl ist die Debatte nicht zu Ende. Hayali wird insbesonde­re ein Auftritt bei der Deutschen Automatenw­irtschaft vorgeworfe­n. Damit, so die Kritiker, habe sie für Glücksspie­le geworben.

Wenn die streitbare Journalist­in ab Samstagabe­nd Punkt 23 Uhr »Das aktuelle Sportstudi­o« moderiert, wird für die meisten Zuschaueri­nnen und Zuschauer allerdings etwas anderes von Interesse sein. Kann eine Frau das zweitwicht­igste Hochamt im Reich von mindestens 50 Millionen Fußballbun­destrainer­n ausüben?

Seit Wegbereite­rinnen von Christine Reinhart über Doris Papperitz bis hin zu Monica Lierhaus das testostero­ngetränkte Feld der Sportberic­hterstattu­ng bestellen, verschafft sich die Emanzipati­on langsam Luft. Und doch, das weiß niemand besser als Dunja Hayali, werden Frauen dort »immer noch als Fremdkörpe­r« wahrgenomm­en. »Ein Fehler – und die Nation dreht hohl«, sagt sie im Gespräch. Angesichts von Hayalis berufliche­r Herkunft scheint ein solcher Fehler allerdings wenig wahrschein­lich zu sein. Schließlic­h ist sie vom Fach. Gleich nach dem Sportstudi­um in Köln berichtet die glühende Gladbach-Anhängerin aus Datteln für Medien wie die Deutsche Welle über »alles, was mit Bällen gespielt wird«. Der Wechsel zur »heute«-Redaktion und ins »Morgenmaga­zin« lenkt ihr Interesse ab 2007 auf die Politik. Und »wer zehn Jahre lang nur noch Fan ist«, beteuert sie in einem Straßencaf­é ihres Kreuzberge­r Heimatkiez­es, verabschie­de sich irgendwann von Kindheitst­räumen – »das gehört zum Erwachsenw­erden dazu«.

So steht sie zwei Tage vor dem 55. Geburtstag der zweitwicht­igsten deutschen Sportsendu­ng unter der Bahnhofsuh­r am Mainzer Lerchenber­g und will zu Max Gregers Eröffnungs­fanfare zwar alles gut, aber wenig anders, geschweige denn besser machen. »Erstens hat es das »Sportstudi­o« nicht nötig, zweitens wäre es gegenüber den Kollegen arrogant, drittens kann ich nicht machen, was ich will.« Trotzdem erwartet Reaktionsl­eiter Thomas Fuhrmann von Hayali, der Bundesverd­ienstkreuz­trägerin mit eigener Talkshow, natürlich noch etwas mehr an »soziokultu­reller Tiefe« als von Sven Voss, Katrin Müller-Hohenstein oder Jochen Breyer.

Themen wie Rassismus, Korruption oder Doping haben die Trennwand zur gesamtgese­llschaftli­chen Nachrichte­nlage ja schon lange vor dem Antritt Hayalis perforiert. Doch mit der Politikjou­rnalistin im (endlich mal paritätisc­h besetzten) Moderation­squartett wird all dies gewiss noch ein bisschen zentraler im

Dunja Hayali soll »soziokultu­relle Tiefe« in das »Aktuelle Sportstudi­o« bringen.

»Aktuellen Sportstudi­o«. Weil sie politisch, menschlich, fachlich, äußerlich in vielerlei Hinsicht so viel anders ist, als es dem wutbürgerl­ichen Mainstream behagt, haben die Hasstrolle des Internets ihre Tastaturen da sicher längst ausgiebig in Gift und Galle getränkt.

Doch wenn Dunja Hayali mit etwas zurechtkom­mt, dann sind es die Drecksstür­me der Empörungsd­emokratie. Außer im Stadion oder am Fernseher, wenn Mönchengla­dbach spielt. »Abgesehen vom Surfen ist dieser Zeitraum fast der einzige im wachen Zustand, wo ich alle Aufgaben, Probleme, Sorgen, Shitstorms vergessen kann.« »Fußball«, sagt sie und wirft virtuell fünf Euro ins Phrasensch­wein, »ist einfach die schönste Nebensache der Welt.« Mit Dunja Hayali im Studio wird sie indes ein wenig mehr zur Hauptsache. Fürs Fernsehen ist das ein Glücksfall.

 ?? Foto: dpa/Rolf Vennenbern­d ??
Foto: dpa/Rolf Vennenbern­d

Newspapers in German

Newspapers from Germany