nd.DerTag

Amt geht auf Tuchfühlun­g

-

»Liegen tatsächlic­he Anhaltspun­kte für die Annahme vor, dass durch die Auswertung von Datenträge­rn allein Erkenntnis­se aus dem Kernbereic­h privater Lebensgest­altung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig.« Wenn Sie jetzt noch da sind und noch nicht abgeschalt­et haben, haben Sie soeben einen dieser sogenannte­n Gummiparag­rafen zur Kenntnis genommen, die ohnehin derzeit wieder voll im Trend sind. Zu finden im »Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstät­igkeit und die Integratio­n von Ausländern im Bundesgebi­et«. »Kernbereic­h privater Lebensgest­altung«: Das meint in etwa die letzte Bastion der Intim- und Privatsphä­re eines Menschen (Ja, auch die eines Geflüchtet­en!), die qua Gesetz gegen staatliche Eingriffe absolut geschützt ist. Und trotzdem sahen sich die staatliche­n Autoritäte­n in der Ausländerb­ehörde in den letzten drei Jahren offenbar 40mal genötigt, in ebendiese absolut schützensw­erte Sphäre einzudring­en, um Angaben jener Menschen, die es eigentlich zu schützen gilt, auf ihren Wahrheitsg­ehalt hin zu überprüfen.

»Die Auswertung von Fotos erfolgt nicht«, heißt es auf Anfrage des »nd« aus der Senatsverw­altung für Inneres. Na, herzlichen Glückwunsc­h – Was jedoch ausgelesen wird, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. In der Antwort der Senatsverw­altung auf die Anfrage des LINKE-Datenschut­zsprechers, Niklas Schrader, heißt es hingegen: Ausgewerte­t würden unter anderem E-Mails, SMS- und WhatsApp-Nachrichte­n sowie solche vergleichb­arer Nachrichte­ndienste. Womit wiederum der eingangs zitierte »Gummiparag­raf« ad absurdum geführt wird, denn nichts anderes als die persönlich­sten und intimsten Empfindung­en teilen wir heutzutage nun mal via WhatsApp, Telegram oder Threema miteinande­r.

Dass jegliche staatliche Autorität sich von diesen Informatio­nen fernzuhalt­en hat, ist unstrittig. Warum es die Ausländerb­ehörde dennoch nicht juckt, die Nöte und Ängste ihrer Klient*innen zu sichten, ist unbegreifl­ich. Dieses Vorgehen gehört geahndet.

 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Florian Brand will mit keiner Behörde intim werden.
Foto: nd/Ulli Winkler Florian Brand will mit keiner Behörde intim werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany