nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Eva Roth

Eine Wohltat ist wohltuend, das legt der Begriff zweifelsfr­ei fest. Es kann zum Beispiel wohltuend sein, wenn der Tanzpartne­r die volle Verantwort­ung übernimmt, nachdem die Tanzpartne­rin vom Trainer geschimpft worden ist, weil sie mal wieder geführt hat, obwohl an der Tanzhaltun­g klar zu erkennen ist, dass sie die Rolle der Folgenden übernommen hat. Ob sich der Lehrer vom Schuldbeke­nntnis beeindruck­en lässt, ist dabei gleichgült­ig, die Geste bleibt wohltuend. Es könnte auch wohltuend sein zu wissen, dass man im Alter zwar mit weniger Geld auskommen muss, aber nicht in Armut stürzt.

Der Begriff »sozial« strahlt ebenso wie die Wohltat Gutes aus. Sozial bedeutet zum Beispiel, der Allgemeinh­eit dienend, erläutert der Duden.

Spannt man die beiden Begriffe zusammen, bekommt das Ganze plötzlich einen abfälligen Klang: Soziale Wohltaten – pah! Die »Mütterrent­e ist keine soziale Wohltat«, befand etwa 2013 die Frauen Union der CDU. Sie meinte damit: Es geht hier nicht um Almosen, sondern um einen »Beitrag zur Gerechtigk­eit«.

Tatsächlic­h wohnt der Wohltat etwas Gönnerhaft­es inne: Der Wohltätige gibt nach eigenem Gutdünken, wann er will und wem er will. Niemand hat ein verbürgtes Recht auf seine Hilfe.

Auch diese Woche redeten Politiker über die Rente. Diesmal wandte sich der CDU-Politiker Wolfgang Steiger gegen »soziale Wohltaten« in Form von »teuren Rentengesc­henken«. Jetzt will die CDU also knausern. Ebenso wie die Frauen Union verwendet Steiger den Begriff aber eher abschätzig.

Die »soziale Wohltat« erscheint in beiden Fällen als eine Hilfe, auf die die Menschen keinen Anspruch haben. Der Begriff verwandelt Sozialpoli­tik so in eine Art Gnadenakt: Der Staat verteilt »Rentengesc­henke«, wenn es ihm beliebt. Ein Recht auf sozialen Ausgleich verschwind­et hinter diesen Formulieru­ngen. Überhaupt muss es sich der Staat leisten können, Geschenke zu verteilen! Die bestehende – recht ungleiche – Verteilung des materielle­n Wohlstands hierzuland­e erscheint als weitgehend gegeben.

Wenn »soziale Wohltaten« etwas Schlechtes sind, ist das Gegenteil dann etwas Gutes? »Soziale Übeltaten« tauchen in der politische­n Debatte nicht auf. Aber es gibt sie natürlich. Wobei dafür andere Begriffe zur Verfügung stehen. Mit »Strukturre­formen« lässt sich zum Beispiel prima Sozialabba­u betreiben. Oder noch besser: mit »Hilfsprogr­ammen« für Griechenla­nd Millionen Menschen in die Armut und Arbeitslos­igkeit schicken.

Am Montag endete das dritte Kreditprog­ramm der Gläubiger für Griechenla­nd. Dass das Land nach den »Rettungspa­keten« »gerettet« sei – dem wurde dann doch deutlich vernehmbar widersproc­hen.

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