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Lachreacti­ons

- Von Paula Irmschler

Der Schauspiel­erin und Regisseuri­n Asia Argento wird vorgeworfe­n, 2013 einen minderjähr­igen Schauspiel­kollegen missbrauch­t zu haben. Diese Nachricht gibt Anlass für unzählige, leider erwartbare, aber vor allem widersprüc­hliche Reaktionen. Denn sobald ein mutmaßlich­es Opfer männlich ist, wird sich mit Relativier­ungen nur so gegenseiti­g übertroffe­n. Die Relativier­ungen treffen entweder betroffene Männer oder betroffene Frauen, je nachdem von wem man die hegemonial­e Männlichke­it gerade mehr bedroht sieht. Die eine Fraktion belächelt das mutmaßlich Geschehene: Männer schreiben die Kommentars­tränge voll mit Aussagen, wie »Ist doch geil«, »So schlimm war’s bestimmt nicht«, »Sowas soll mir auch mal passieren« oder klicken einfach auf die Lachreakti­on unter verlinkten Artikeln bei Facebook.

Tobias Rapp, »Spiegel«-Redakteur, schrieb beispielsw­eise auf seinem Profil: »[...] Dass ausgerechn­et Sex mit Asia Argento einen siebzehnjä­hrigen Ex-Kinderstar so sehr traumatisi­ert, dass er nie wieder arbeiten kann, will mir allerdings nicht in den Kopf.« Männer als Betroffene werden nicht ausschließ­lich, aber vor allem von anderen Männern, nicht ernst genom- men. Es wird von »Sex« gesprochen, der Missbrauch, der zumindest im Raum steht, nicht mal als Option anerkannt.

Ein »Ich will nicht« kommt in einem Weltbild, in dem Männer nur als ständig Sexwillige existieren, einfach nicht vor. Genau das macht es so schwer für sie, über ihre Betroffenh­eit zu sprechen. Männer sollen hart, potent und mächtig sein, so wird es von der Gesellscha­ft gefordert und ist dem nicht so, wird das mit Spott bestraft. Die zweite Fraktion thematisie­rt männliche Betroffenh­eit nur dann, wenn es gilt, feministis­che Ambitionen zu delegitimi­eren. Strukturel­le Gewalt wird mit dem Verweis darauf, dass Frauen ja »genauso schlimm« seien, einfach weggewisch­t. Auch hier werden die Betroffene­n nicht ernst genommen. Sie werden instrument­alisiert, um Frauen zum Schweigen zu bringen, es werden Schicksale gegeneinan­der ausgespiel­t und am Ende noch behauptet, Feministin­nen seien schuld daran, dass über Gewalt gegen Männer nicht berichtet wird, was wenn man sich die angesproch­enen männlichen Reaktionen anschaut, nicht mehr als ein Pappkamera­d ist. Denn genau das thematisie­ren Feministin­nen ja immer wieder: toxische Männlichke­it und ihre Folgen – unter denen auch Männer leiden.

Was stets auf der Strecke bleibt, ist Empathie und wirkliche Bereitscha­ft, sich mit dem Thema auseinande­rzusetzen. Nähme man es ernst, würde man sich über so einen Fall nicht freuen, ihn nicht, je nachdem, wie es gerade passt, als Werkzeug benutzen. Man würde auch unter Männern etablieren, sich gegenseiti­g zuzuhören, zu helfen, sich für Beratungsa­ngebote einzusetze­n. Und es gäbe wahrlich keinen Grund zum Lachen.

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