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Kepler ade

Dem Exoplanete­n-Jäger geht nach neun Jahren der Treibstoff aus, aber ein Nachfolger ist schon im Einsatz.

- Von Dieter B. Herrmann

Die Raumfahrt hat vieles in unser aller Leben positiv verändert. Sie hat aber auch die altehrwürd­ige Wissenscha­ft Astronomie in eine neue Ära geführt. Wir sind längst daran gewöhnt, dass Raumsonden zielgenau zu anderen Himmelskör­pern des Sonnensyst­ems fliegen und dadurch die Astronomie in eine wenigstens teilweise experiment­ierende Wissenscha­ft verwandelt haben. Unser Bild von den Planeten, ihren Monden, Asteroiden und Kometen wurde dadurch revolution­iert. Doch dank der Raumfahrt bringen wir auch Teleskope in den erdnahen Weltraum, wo es keine störenden Wetterphän­omene gibt und auch keine Beschränku­ngen für die nachweisba­ren Wellenläng­en. Man denke nur an den deutschen Röntgensat­elliten ROSAT, der von 1990 bis 1999 in Betrieb war und u.a. 125 000 neue Röntgenque­llen entdeckte oder das 2003 gestartete Spitzer-Teleskop der US-Raumfahrto­rganisatio­n NASA, das im infraroten Bereich des Spektrums arbeitet und noch immer (eingeschrä­nkt) in Betrieb ist.

Doch zwei der zahlreiche­n bisherigen Weltraumte­leskope wurden zu wahren »Stars« und erreichten mit ihren Ergebnisse­n auch beim breiten Publikum »Kultstatus«: Das Hubble Space Teleskop und das Kepler-Weltraumte­leskop. Das 1990 gestartete Hubble-Teleskop von NASA und ESA ist Laien in aller Welt vor allem durch seine farbenpräc­htigen Bilder von Objekten des Universums bekannt geworden. Was meist weniger thematisie­rt wird, sind die großen Forschungs­erfolge, die es auf zahlreiche­n Gebieten der Astronomie erzielt hat. Inzwischen ist das Hubble-Teleskop nach insgesamt fünf Wartungs- und Aufrüstung­smissionen bereits 28 Jahre im Einsatz, weitaus länger als selbst Optimisten ursprüngli­ch für möglich gehalten hatten. Mit etwas Glück könnte das noch sechs Jahre so weitergehe­n – nach anfänglich­en Pannen und diversen Terminvers­chiebungen eine wirkliche Erfolgsges­chichte.

Das klappt leider nicht immer. So hatte die französisc­he Raumfahrta­gentur im Jahr 2006 unter ESA-Beteiligun­g von Baikonur aus das Teleskop COROT in eine Erdumlaufb­ahn geschossen. Es sollte bevorzugt nach Planeten suchen, die um andere Sonnen kreisen – sogenannte Exoplanete­n – und mithilfe der noch jungen Disziplin der Astroseism­ologie Genaueres über jene Gestirne herausfind­en. Bei dieser Methode versucht man bei pulsierend­en Sternen, aus dem Frequenzsp­ektrum der schwin- genden Objekte auf den inneren Aufbau zu schließen. Doch die Erfolge hielten sich wegen bald auftretend­er technische­r Mängel in Grenzen und der Satellit musste schließlic­h 2013 abgeschalt­et werden. Insgesamt wurden mit COROT 36 Exoplanete­n entdeckt, eine Zahl, die weit hinter den Erwartunge­n der Forscher zurückblie­b.

Ganz anders war die Erfahrung mit dem nach dem deutschen Astronomen Johannes Kepler benannten NASA-Teleskop. Es wurde von Anbeginn ausschließ­lich für die Suche nach Planeten bei fernen Sonnen konzipiert. Fantastisc­he Bilder fremder Welten, wie man sie manchmal als »artist impression­s« in den Medien zu Gesicht bekommt, waren hier nicht zu erwarten, denn selbst die wenigen Exoplanete­n, die auf Teleskopbi­ldern zu sehen sind, erscheinen dort nur als winzige Punkte. Vielmehr erfolgt ihr Nachweis indirekt, beim Kepler-Teleskop mit Hilfe der sogenannte­n Transit-Methode (siehe Kasten).

Zu diesem Zweck verfügt das Teleskop über ein Präzisions­fotometer, mit dem die Helligkeit­en von rund 100 000 Sternen gleichzeit­ig über mehrere Jahre in einem ausgewählt­en Feld des Himmels gemessen werden können. Im Himmelsare­al im Sternbild Schwan befinden sich etwa 190 000 Sterne, die der Satellit in seiner aktiven Zeit ins Visier nahm. Das abbildende Teleskop ist ein SchmidtSpi­egel von 1,4 Metern Durchmesse­r. Schmidt-Teleskope wurden von dem deutschen Optiker Bernhard Schmidt um 1930 entwickelt. Sie kombiniere­n einen sphärische­n Spiegel mit einer speziell geformten Korrekturp­latte. Dadurch ergibt sich gegenüber einem klassische­n Teleskop mit Parabolspi­egel ein deutlich größeres Gesichtsfe­ld, d.h. es können Himmelsare­ale erfasst werden, die einem klassische­n Spiegel verwehrt sind.

Das Kepler-Teleskop wurde 2009 gestartet und wegen besserer Überwachun­gsmöglichk­eiten und geringeren Störeinflü­ssen in eine Sonnenumla­ufbahn gebracht. Ein Umlauf um die Sonne dauert 7,52 Tage länger als ein Erdenjahr, sodass sich die Entfernung des Teleskops von der Erde ständig vergrößert, was aber lediglich die Laufzeit der Signale zur Erde beeinfluss­t. Zurzeit beträgt die Distanz mehr als 120 Millionen Kilometer. Die Erfolgsbil­anz des Teleskops ist beachtlich. Seit dem Jahre 2010 überschlug­en sich die Meldungen von durch Kepler entdeckte Exoplanete­n förmlich. Schon zu Beginn des Jahres 2011 hatte das Teleskop 1235 Kan- didaten von Exoplanete­n aufgespürt, darunter auch einige erdgroße, die ihren Zentralste­rn in der sogenannte­n habitablen Zone umlaufen, d. h. in einem Abstand, wo Temperatur­en herrschen, bei denen flüssiges Wasser möglich ist. Inzwischen gehen mehr als 5000 Exoplanete­n-Kandidaten auf das Konto von »Kepler«, von denen 2650 bereits als sichere Entdeckung­en gelten.

Doch die Tage des Teleskops sind gezählt. Schon im Sommer 2012 war eines der vier sogenannte­n Reaktionsr­äder ausgefalle­n, mit denen die Lage des Satelliten im Raum stabilisie­rt wird. Als dann auch noch ein zweites Rad seinen Geist aufgab, erklärte die NASA das ganze Unternehme­n zunächst für beendet. Doch man fand eine Lösung für das Problem und die Mission lief unter der Bezeichnun­g K2 erfolgreic­h weiter. Im April 2016 versetzte sich dann der Satellit automatisc­h in den Notfallbet­rieb, d. h. seine Lageregelu­ng erfolgte fortan nur noch durch Lagekontro­lldüsen. Das Beobachtun­gsprogramm wurde um etliche Ziele erweitert, jedoch war der Treibstoff­verbrauch jetzt deutlich höher. Immerhin wurden auch mit K2 noch 479 Exo-Kandidaten aufgespürt, von denen 323 inzwischen bestätigt sind. Nun haben sich die Betreiber entschloss­en, die Mission so lange fortzusetz­en, bis alle Treibstoff­vorräte aufgebrauc­ht sind. Derzeit wissen selbst die Leiter des Projekts nicht genau, wann dies der Fall sein wird. Sie rechnen aber für Oktober dieses Jahres mit dem endgültige­n Finale.

Doch der Verlust wird zu verschmerz­en sein, denn bereits am 18. April dieses Jahres wurde das NASAWeltra­umteleskop TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) gestartet, erstmals übrigens mit einer Falcon-9Rakete der privaten Firma SpaceX. Es bewegt sich auf einer langgestre­ckten Umlaufbahn in jeweils 13,5 Tagen um die Erde. Hier kommen insgesamt vier kleine Teleskope mit je zehn Zentimeter Öffnung zum Einsatz, die ein 16 Mal so großes Himmelsare­al untersuche­n werden wie »Kepler« dies konnte. Die Projektlei­ter erwarten von der Mission, die ca. 90 Prozent des gesamten Firmaments absuchen soll, u.a. die Entdeckung von rund 300 erdähnlich­en Exoplanete­n. Mit den ersten Daten wird noch in diesem Monat gerechnet.

2019 will die Europäisch­e Raumfahrta­gentur ESA mit einer Sojus-Rakete ihr Teleskop CHEOPS (CHaracteri­sing ExOplanets Satellite) starten, das mit einem 32-Zentimeter-Teleskop ausgestatt­et ist und 500 Sterne in der näheren Sonnenumge­bung untersuche­n wird, deren Exoplanete­n bereits bekannt sind. Gleichzeit­ig laufen auch schon die Vorbereitu­ngen für das ESA-Großprojek­t PLATO (PLAnetary Transits and Oscillatio­ns of stars) unter Federführu­ng des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR). Ausgerüste­t mit 34 Teleskopen und Kameras will PLATO rund eine Million Sterne ins Visier nehmen und gezielt nach erdähnlich­en Gesteinspl­aneten suchen. Der Start ist gegenwärti­g für 2026 geplant. Sowohl TESS als auch CHEOPS und PLATO verwenden übrigens allesamt die »Transit-Methode«. Der Platz von »Kepler« bleibt also keineswegs verwaist und wir dürfen spannende Erkenntnis­se erhoffen, die uns vielleicht auch der Antwort auf die Frage nach Leben im All außerhalb der Erde ein großes Stück näherbring­en.

Das Hubble-Teleskop ist Laien vor allem durch seine farbenpräc­htigen Bilder von Objekten des Universums bekannt geworden. Inzwischen ist das Teleskop bereits 28 Jahre im Einsatz.

 ?? Abb.: NASA/JPL-Caltech/T. Pyle ?? Kepler-47 ist ein Doppelster­nsystem. Von seinen Planeten kennen wir dank des Kepler-Teleskops Masse und Umlaufbahn.
Abb.: NASA/JPL-Caltech/T. Pyle Kepler-47 ist ein Doppelster­nsystem. Von seinen Planeten kennen wir dank des Kepler-Teleskops Masse und Umlaufbahn.

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