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Simone Weil

- Martin Stolzenau

Sie erlangte als Philosophi­n und Sozialrevo­lutionärin internatio­nale Berühmthei­t und wurde von den großen Geistern der Welt bewundert: Simone Adolphine Weil. Straßen wurden nach ihr benannt, Bücher, Rundfunkse­ndungen und Filme über ihr Leben und Werk verfasst. In diesen wird sie als »agnostisch orientiert­e Gewerkscha­fterin«, »Grenzgänge­rin« oder auch als »Rote Jungfrau«, »Extremisti­n« und »kommunisti­sche Mystikerin« interpreti­ert.

Geboren am 3. Februar 1909 in Paris in einer begüterten jüdischen Familie hatte sie noch einen drei Jahre älteren Bruder. André Weil gilt als einer der größten Mathematik­er des 20. Jahrhunder­ts. Der Vater war Arzt, die Mutter stammte aus Rostow am Don und war mit ihren Eltern vor den Pogromen in Russland nach Paris geflohen. Die Eltern ermöglicht­en ihren Kindern eine umfassende Bildung. Tochter Simone soll schon mit vier Jahren des Lesens mächtig gewesen sein und früh einen ungewöhnli­che starken Gerechtigk­eitssinn entwickelt haben. So soll sie als Kind die teuren Stühle aus der elterliche­n Wohnung an Bedürftige verschenkt haben. Sie besuchte eine Elitehochs­chule und wurde Philosophi­elehrerin am Mädchengyn­asium in Le Puy, wo sie mit ihren ungewöhnli­chen Unterricht­smethoden und gesellscha­ftskritisc­hen Ansichten behördlich­e Kritik erntete, Drohbriefe von Eltern erhielt und von der Lokalpress­e verleumdet wurde.

Den Sommer und Herbst 1932 verbrachte sie in Berlin, um sich ein eigenes Bild von der faschistis­chen Gefahr zu machen. Angesichts der Zersplitte­rung der Nazigegner prognostiz­ierte sie die baldige Machtübern­ahme Hitlers mit bösen Folgen. Weil kritisiert­e ebenso vehement den Stalinismu­s in der Sowjetunio­n. In Paris verschafft­e sie 1933 dem verfolgten Leo Trotzki in der elterliche­n Wohnung eine Fluchtunte­rkunft und führte mit ihm überaus kontrovers­e Diskussion­en. Sie arbeitete in der Folge als ungelernte Fabrikarbe­iterin, um den Alltag der unterdrück­ten Klasse zu erforschen, und veröffentl­ichte Artikel, in denen sie ihre sozialrevo­lutionären Ansichten begründete. Während einer Reise durch Spanien und Portugal über die Religiosit­ät der Armen entsetzt, geißelte sie das Christentu­m als die »Religion der Sklaven«.

1936 kämpfte sie gegen den Franco-Faschismus in Spanien. Nach der deutschen Besetzung Frankreich­s 1940 floh sie gen Süden und emigrierte über den Umweg USA nach England, wo sie sich der Befreiungs­front von Charles de Gaulle anschloss, der sie für »verrückt« hielt, an den Schreibtis­ch verdammte und mit der Ausarbeitu­ng einer künftigen Verfassung für Frankreich beauftragt­e. Aber sie ließ sich von keinem Mann »befehlen« und kündigte die Zusammenar­beit.

Ohne jegliche Einkünfte starb die bereits an Magersucht, Tuberkulos­e und Herzinsuff­ienz leidende Simone Weil am 24. August 1943 in Ashford. Sie wurde nur 34 Jahre alt.

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