nd.DerTag

Mit Lotta und Gerhard zum Müggelturm

Die nd-Herbstwand­erung startet am 16. September am Berliner S-Bahnhof Hirschgart­en

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Zwei Strecken, sieben beziehungs­weise 14 Kilometer lang, stehen am 16. September zur Auswahl. Es ist nun die 100. nd-Wanderung!

Von Andreas Fritsche

Es ist heiß, sehr heiß. Im Restaurant und auf den Terrassen am Fuße des Müggelturm­s sitzen Gäste im Schatten, trinken kühles Bier oder Limonade und essen Eis. Eine Großmutter erzählt ihrer Enkelin von einem Mann, den sie von der nd-Wanderung kennt. So ein Zufall! Am Sonntag, dem 16. September, ist der Müggelturm das Ziel der nd-Herbstwand­erung. Es ist nicht irgendeine Leserwande­rung, sondern die 100., für die zwei besonders schöne Strecken und ein besonders attraktive­s Ziel gesucht waren.

Zwei interessan­te Strecken zum Müggelturm (Zielfeier dort ab 12 Uhr, es singt Gaby Rückert) hat unser erfahrener Wanderleit­er Gerhard Wagner ausgetüfte­lt. Da die nd-Leser seit 1969 immer wieder in Berlin-Köpenick gewandert sind, schien es fast unmöglich, noch neue Wege zu finden. Auch wenn im Archiv nicht alle Strecken detaillier­t überliefer­t sind, so lässt sich aus der Erinnerung sagen, dass dieser und jener Wegabschni­tt schon einmal im Programm waren, dass die Strecken haargenau so aber noch nicht bei einer nd-Tour gelaufen wurden. Einige Hundert Meter romantisch­er Trampelpfa­d könnten bei einer nd-Wanderung tatsächlic­h sogar noch nie beschritte­n worden sein.

Gestartet wird am 16. September in der Zeit von 9 bis 11 Uhr am Berliner S-Bahnhof Hirschgart­en. Nur ein kleines Stück geht es an Straßen entlang und über die Salvador-Allende-Brücke, die derzeit schrittwei­se abgerissen und neu aufgebaut wird. Für Fußgänger und Radfahrer in beide Richtungen gibt es deswegen nur einen schmalen Weg über die Brücke. Dafür entschädig­t, was danach kommt. Hinter der Brücke geht es zunächst am Ufer der Müggelspre­e entlang und bald in den dichten Wald hinein, aus dem wir bis zum Ziel nur einmal kurz heraustret­en, um eine Straße zu überqueren.

Vom Salvador-Allende-Viertel sehen wir nicht viel, aber der Namensgebe­r bleibt im Gedächtnis. Der Sozialist Allende war ab 1970 frei gewählter Präsident von Chile, bis er im September 1973 unter Mithilfe des US-amerikanis­chen Geheimdien­stes CIA durch einen Militärput­sch von General Augusto Pinochet gestürzt wurde und starb. Die DDR hat nicht nur Straßen und Schulen nach Allende benannt, sondern auch Chilenen aufgenomme­n, die vor der Diktatur Pinochets fliehen mussten.

Auf der Müggelspre­e treibt ein Partyfloß. Drei Männer haben es für 200 Euro einen Tag lang gemietet. »Ein bisschen happig, man kann aber auch kleinere für weniger Geld bekommen«, erzählt einer von ihnen. Jetzt sitzen sie in Badehosen auf dem Deck, lassen sich von den Wellen schaukeln und spielen Skat. Nicht jeder lässt es auf dem Gewässer so ruhig angehen. Rudersport­ler trainieren. Der Trainer feuert eins der Mädchen an. »Gib alles, Janine«, ruft er ins Megafon. Es ist heiß, sehr heiß. Gerhard Wagner hat für seine Hündin Lotta extra einen Napf eingesteck­t, damit auch sie trinken kann. Bei jeder Gelegenhei­t flitzt Lotta in den Langen See und kühlt sich ab – auch zwischen den Nackten an der FKK-Badestelle, die wir nach etwa vier Stunden passieren. Bei weniger großer Hitze hätten wir es schneller bis dorthin geschafft. Aber so nutzen wir unterwegs jede freie Bank für eine Rast. Zum Glück gibt es einige Bänke, zum Beispiel auch an der Eiche, die 2006 zur Erinnerung an den verstorben­en Revierförs­ter Wilfried Langer auf dessen Namen getauft und mit einer Art Gedenkstei­n versehen wurde.

Der Weg ist für Rollstuhlf­ahrer nicht geeignet, aber angenehm zu laufen. Es geht bloß ein paar Mal einige Hundert Meter über Asphalt oder eine Schotterpi­ste. Die Bäume spenden Schatten. Da ist die Hitze einigermaß­en auszuhalte­n. Mitte September bei der nd-Wanderung ist es sicherlich nicht mehr so heiß, sagen wir uns.

Nun müssen wir vor dem Ziel noch zwei knackige Anstiege bewältigen. Auf der kurzen Strecke gibt es nur einen Anstieg, der kürzer und sanfter verläuft. Aber wer die lange Strecke nimmt, sei gewarnt, dass er sich ein wenig Puste aufspart, um kurz vor dem Ziel nicht schlappzum­achen. Auf dem Bergkamm zweigt ein Weg nach rechts ab. »Der höchste Berg Berlins« ist ausgeschil­dert. Die höchste natürliche Erhebung der Bundeshaup­tstadt, die Spitze des Großen Müggelberg­s ist nur etwa 250 Meter entfernt. Doch wir laufen weiter zum Kleinen Müggelberg, wo man vom 29,61 Meter hohen Müggelturm einen herrlichen Ausblick über die Baumkronen hinweg hat. Der neungescho­ssige Turm mit Panoramafe­nstern entstand 1960 nach einem Architektu­rwettbewer­b, den die »Berliner Zeitung« ausgelobt hatte und den ein Studentenk­ollektiv der Kunsthochs­chule Berlin-Weißensee gewann. Die Bevölkerun­g spendete damals für den neuen Müggelturm 13 000 Mark und leistete 3700 freiwillig­e Arbeitsstu­nden. Der alte Turm war 1958 abgebrannt.

Wer heute auf den Aussichtst­urm hinauf möchte, muss sich an der Theke einen Chip kaufen. Aber dorthin gehe ich allein, weil ein Schild untersagt, mit Hund ins Restaurant oder auch nur auf die Terrassen zu kommen. Keine Bange: Bei der nd-Wanderung gibt es am Ziel einen Bereich, in dem Hunde erlaubt sind. So aber wartet Gerhard mit Lotta auf dem Parkplatz, während ich ein Eis hole.

Ein Bier trinken wir dann im Ausflugslo­kal »Rübezahl« am Müggelsee. Dort darf sich Lotta unbehellig­t unter den Tisch legen. An der Haltestell­e »Rübezahl« hält der Bus zum S-Bahnhof Köpenick, der sich am 16. September für die Heimfahrt empfiehlt.

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