nd.DerTag

»Und jetzt sitze ich noch immer hier«

Yvonne Rother sorgt dafür, dass die Fotos für die Zeitung druckreif bearbeitet werden

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Von Ulrike Ufer

Wegen Erich Honecker hätte Yvonne Rother beinahe ihren Job geschmisse­n, gerade mal vier Wochen nachdem sie im Fotolabor von »Neues Deutschlan­d« ihre Arbeit begonnen hatte. Sie erinnert sich, als sei es gestern gewesen: »Es war meine erste Spätschich­t. Ab 18 Uhr war ich allein im Labor. Sehr spät brachte ein Fotograf einem Film mit Fotos von Honecker, es blieb nur wenig Zeit, ihn zu entwickeln und Abzüge zu machen. Als ich dem Fotografen die fertigen Bilder zeigte, sah er ›rot‹ und faltete mich verbal zusammen. Honeckers Haare erschienen auf den Fotos so weiß wie die Wand, vor der er stand. Ich war so fertig, dass ich am nächsten Tag zu meinem Chef Horst Bitter ging und ihm mitteilte, dass ich kündigen werde.« Bitter aber sprach ihr Mut zu, ermunterte die junge Frau, weiter zu üben. Am Ende ließ sich Yvonne überreden und blieb. »Und jetzt«, lacht sie, »sitze ich immer noch hier und übe weiter.«

Ihre Ausbildung zur Filmkopier­facharbeit­erin hatte Yvonne Rother im DEFAKopier­werk erhalten, wo sie später im Chemielabo­r die Flüssigkei­ten für die Filmentwic­klung kontrollie­rte. Die Erfüllung war das nicht für Yvonne, sie hatte sich ihre Arbeit anders vorgestell­t. So etwa wie das, was ihr Vater – ein begeistert­er Hobbyfotog­raf – tat, wenn er in seinem Labor seine Filme entwickelt­e und danach von den Negativen Abzüge machte. Nur in größeren Dimensione­n eben. Deswegen bewarb sie sich beim »ND« als Fotolabora­ntin, wo sie im September 1979 die Arbeit aufnahm. Nach dem verkorkste­n Start flutschte die Arbeit schon bald, sehr zur Freude ihres Chefs, der ihr immer wieder Mut machte, und der ihr vertraute.

Mit dem Einzug von Computern Anfang der 90er Jahre, verschwand das Fotolabor, von nun ab wurden die Fotos di- gital bearbeitet. »Wir alle waren völlig ahnungslos, fingen wieder bei null an. Eine Schulung für das Bildbearbe­itungsprog­ramm gab es nicht, gelernt wurde während der laufenden Produktion. Arbeiten, die heute völlig normal für Yvonne und ihre Kollegin Marita Kamischke sind, haben sie anfangs fast zur Verzweiflu­ng gebracht. Dennoch: So schön es war, wenn man im Labor stand und zuschauen konnte, wie im Chemikalie­nbad aus einem weißen Fotopapier das fertige Bild entstand, tauschen möchten sie nicht mehr.

Ein Bild erscheint in ihrem Onlineordn­er: Die Fotoredakt­ion hat es ihr gerade zur Bearbeitun­g geschickt. Yvonne öffnet die Datei, korrigiert Schärfe und Helligkeit, und schon ist sie fertig. »So fix aber geht das nicht immer«, sagt sie. »Einmal sollte ich ein Marineschi­ff freistelle­n, also es digital ausschneid­en. Das war eine ganz schöne Fummelei. Noch schwierige­r war es, zwei Ratten mit ihren dünnen Schnurrhär­chen freizustel­len. Ich habe geflucht und war sicher, es nie zu schaffen. Und stolz, als es letztlich doch gut gelang.«

Langweilig wird die Arbeit Yvonne nicht. »Du weißt morgens nie, wie viele Bilder zur Bearbeitun­g kommen und ob vielleicht wieder so etwas wie die Ratten dabei ist.«

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Foto: nd/Ulli Winkler
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