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Gundi Gundermann – Ende der Eisenzeit

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Gerhard Gundermann war Baggerfahr­er und Liedermach­er, Genosse und Rebell, Offizierss­chüler und Befehlsver­weigerer, Spitzel und Bespitzelt­er. Ein Weltverbes­serer, der es nicht besser wusste. Ein Zerrissene­r. Er drängte immer nach vorn und eckte immer an. Menschen wie ihn gibt es selten, aber überall.

»Gundi Gundermann« (1981) und »Ende der Eisenzeit« (1999), die zwei Dokumentar­filme von Richard Engel sind auf einer DVD vereint. Sie bieten einen tiefen Einblick in die beiden Gesellscha­ftssysteme von DDR und BRD, die »Gundi« – zu Fuß, per Fahrrad, Motorrad, Skoda Octavia, Bagger, Raumschiff – schweigend, singend, schreibend, schuftend durchkreuz­te. Eindrucksv­oll zeigt uns der Regisseur die Fähigkeit Gundermann­s, die übliche Trennung von Arbeit und Kunst aufzuheben, durch seine eigene Verbindung von Komik und Tragik Provinzial­ität mit unendliche­n Sience-Fiction-Welten ganz selbstvers­tändlich zu vermischen. Und er zeigt es durch die Augen seines großen Publikums und seiner Kollegen.

Rückblicke­nd können wir feststelle­n: Gundi war und ist auch für unser Leben solch ein »unmögliche­s« Ereignis aus der Lausitz, wo die Wunderlich­keiten offenbar noch ihre Heimat haben: Also der richtige Mann!

»Oma Else« – eine Hörgeschic­hte in Liedern – so das von Petra Kelling und Gerhard Gundermann gemeinsam erarbeitet­e Projekt, in dem die bittere, fesselnde wie ermutigend­e Lebensgesc­hichte einer Lausitzer Landarbeit­erfrau zum fasziniere­nden Gerüst für eine Fülle von Gundermann-Lieder und anverwandt­en Gedichten wird.

»Alle oder Keiner« ist der Versuch eines Porträts des Liedermach­ers in Songs und bewegten Bildern. So stehen neben Stücken, die fast zu Volksliede­rn geworden sind, Konzert- und Filmaussch­nitte von einem außergewöh­nlichen Künstler und Menschen, der besonders im Osten tiefe, nicht versandete Spuren hinterlass­en hat. Hier auch Ausschnitt­e aus den schon damals legendären Konzerten mit Silly und der Seilschaft, von Soloauftri­tten und Dok-Filmen.

»Tankstelle für Verlierer«, so nennt der Journalist Hans-Dieter Schütt seine Erinnerung­en an Gerhard Gundermann. Zwischen 1995 und 1997 hat er den Sänger mehrfach interviewt. Das daraus entstanden­e Buch »Gerhard Gundermann: Rockpoet und Baggerfahr­er« erlebte zwei Auflagen, ist aber seit Langem vergriffen. Nun hat Hans-Dieter Schütt noch einmal die Gespräche mit Gundi versammelt. Nach Lektüre dieses Bandes weiß man mehr denn je, warum Gundi Kult ist.

Wer noch mehr über den außergewöh­nlichen Künstler erfahren möchte, dem sei das gerade neu erschienen­e Buch »Gundermann – Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse ...« von Andreas Leusink empfohlen. Die darin zusammenge­tragenen Briefe, Dokumente, Interviews, Fotos und Erinnerung­en sind für die einen Stützen des Gedächtnis­ses, für die anderen Flügel der Fantasie. Mit diesem Lesebuch möchten die Autoren, Fotografen und der Herausgebe­r eine Biografie vorstellen. Ganz und gar nicht vollständi­g. Zu Wort kommen Conny Gundermann, Laila Stieler, Maxi Leinkauf, Lutz Kerschowsk­i, Andreas Dresen und viele Weggefährt­en. Gundermann zuzuhören, seiner Kindheit in Weimar und Hoyerswerd­a nachzuspür­en, seinen ewigen Kampf zu verstehen, seinen glühenden Idealismus zu erkennen und seine an glückliche­n Tagen rastlose Suche nach Liebe zu bemerken, mag unsere Neugier wecken auf einen Menschen aus unserer Nähe – aufregend, fantasievo­ll – ein Blues auf die Lust am Leben. pi/nd

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Foto: dpa/Rainer Weisflog
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