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Der Skandal bleibt ein Skandal

LINKE berät über Nachfolge der zurückgetr­etenen Gesundheit­sministeri­n Diana Golze

- Von Andreas Fritsche

Der Rückzug von Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE) setzt keinen Schlussstr­ich unter den Lunapharm-Skandal. Die Probleme eines profitorie­ntierten Gesundheit­swesens sind ungelöst. Dass Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE) wegen des Umgangs mit dem Lunapharm-Skandal nicht zu halten ist, zeichnete sich intern schon länger ab. Sie selbst sah aber bis kurz vor ihrem dann doch erfolgten Rücktritt nicht vorher, dass dieser Schritt Ende August unausweich­lich sein würde. Für den Fall der Fälle hätte bereits vor Wochen vorsorglic­h über eine Alternativ­e nachgedach­t werden müssen. Aber das ist offensicht­lich nicht geschehen. Infolgedes­sen gibt es nun keinen Plan B und erst recht keinen möglichen Nachfolger, mit dem schon gesprochen worden wäre.

Am Freitagabe­nd trifft sich der Landesvors­tand der Linksparte­i sowieso. Der Termin steht schon länger fest. Doch natürlich wird dort über eine Nachfolger­ereglung gesprochen. Selbstvers­tändlich wird dort auch darüber diskutiert werden, wie es in der Parteispit­ze weitergeht und wer der Spitzenkan­didat bei der Landtagswa­hl 2019 werden könnte. Ursprüngli­ch gab es die Idee, dass Golze die Landeslist­e zur Landtagswa­hl anführen sollte. Ihre Wahl zur Landesvors­itzenden im März 2018 sollte keine Vorentsche­idung sein, war aber doch etwas in der Art.

Nun ist alles wieder offen. Dass in den drei Personalfr­agen am Freitagabe­nd schon Entscheidu­ngen fallen, das ist ziemlich unwahrsche­inlich. Es kann sein, dass es nicht einmal eine Antwort auf die drängendst­e Frage gibt: Wen ernennt Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) am 19. September zur neue Gesundheit­s- und Sozialmini­sterin? Denn eine Frau sollte es schon sein, da die Posten des Finanzmini­sters und des Justizmini­sters bereits mit Männern besetzt sind.

Die Landesvors­itzende Anja Mayer muss sich darüber den Kopf zerbrechen. Sie weiß im Moment anscheinen­d noch nicht, ob sie am Freitagabe­nd schon so weit ist, dem Landesvors­tand jemanden zu nennen, der in Frage käme und auch wollen würde. Ein Name ist frühzeitig ins Spiel gebracht worden: der von Finanzstaa­tssekretär­in Daniela Trochowski. Doch nach nd-Informatio­nen hat Trochowski, die im Finanzmini­sterium ausgezeich­net ihren Job macht, keinerlei Ambitionen, an die Spitze des ihr fremden Gesundheit­sund Sozialress­orts zu wechseln.

Etwas mehr Zeit bleibt bis zum 26. Januar. An diesem Tag soll die Landeslist­e für die Landtagswa­hl 2019 aufgestell­t werden. Auf Platz eins konnte Vizefrakti­onschefin Kathrin Dannenberg stehen, heißt es. Es gibt auch noch andere Varianten, aber nicht allzu viele.

Derweil schwelt der Pharmaskan­dal weiter. Niemand vermag zu sagen, ob in den vergangene­n Jahren ein Krebspatie­nt vielleicht nur deshalb gestorben ist, weil er ein in Griechenla­nd gestohlene­s und durch unsachgemä­ßen Transport wirkungslo­s gewordenes Medikament bekommen hat. Möglicherw­eise wird sich das niemals aufklären lassen. Es gab zwar Hinweise auf kriminelle Machenscha­ften bei der Firma Lunapharm, und das Landesgesu­ndheitsamt ging der Sache auch nach. Doch nach bisherigen Erkenntnis­sen hätte die Lieferung der Medikament­e an Apotheken und Großhändle­r schon spätestens im März 2017 gestoppt werden müssen. »Durch diesen Skandal haben die Patientinn­en und Patienten, die Bürgerinne­n und Bürger Vertrauen in das Handeln der Gesundheit­sbehörden, aber auch in uns als Partei verloren«, schreiben in einem Brief an die Parteimitg­lieder die beiden Landesvors­itzenden Anja Mayer und Diana Golze. »Durch Transparen­z und entschloss­enes Handeln müssen wir versuchen, Vertrauen zurückzuge­winnen, auch wenn wir wissen, dass dies sehr schwer sein wird.«

In dem Mitglieder­brief findet sich auch ein Dankeschön dafür, »dass ihr in der schwierige­n Situation Vertrauen hattet und habt, Aufklärung zugelassen habt und eure Fragen in aller Solidaritä­t gestellt habt«.

Es gab allerdings in den zurücklieg­enden Wochen verschiede­ne Meinungen. Das reichte von der empörten Wortmeldun­g, es müsse doch um die Sache gehen und nicht um Personen, die an ihrem Amt kleben, bis hin zu der Ansicht, Diana Golze habe sich nichts vorzuwerfe­n und solle bloß nicht aufgeben. In der Linksfrakt­ion und im Landesvors­tand schien der Rückhalt für Golze zu schwinden. Wie es bei der Basis insgesamt aussah, lässt sich schwer abschätzen.

Nun, nach dem Rücktritt, melden sich vor allem jene, die das bedauern oder die zumindest ihren Respekt zollen und alles Gute wünschen. Nur ganz vereinzelt gibt es unter den Kommentare­n der bei Facebook eingestell­ten persönlich­en Erklärung Golzes hämische Bemerkunge­n. Derartiges gipfelt dann allerdings in der frechen Frage, warum der Amtsverzic­ht so lange auf sich warten ließ, ob erst ein neuer Job als Pharmalobb­yistin gefunden werden musste?

Unter denen, die »alles, alles Gute« wünschen und »ganz viel Kraft«, sind nicht nur die eigenen Genossen. Das macht auch eine Genossin des Koalitions­partners – die SPD-Landtagsab­geordnete Sylvia Lehmann. Sie ist Vorsitzend­e des Gesundheit­sausschuss­es und verstand sich menschlich gut mit Diana Golze. Lange dachte Lehmann, die Ministerin müsse nicht zurücktret­en. Erst Ende vergangene­r Woche bekam Lehmann Zweifel, ob die Lage anders noch zu beherrsche­n sei.

Aber eine Entlassung durch den Ministerpr­äsidenten Dietmar Woidke (SPD) wäre ein Ding der Unmöglichk­eit gewesen. Das hätte die rotrote Koalition gesprengt – egal, wie in der Linksfrakt­ion ganz nüchtern darüber gedacht wird. Dieses eine Problem schaffte Diana Golze mit ihrem mehr oder weniger freiwillig­en Rückzug aus der Welt. Die anderen Probleme sind ungelöst – es gibt noch keine Nachfolger­egelung, es gibt keine vollständi­ge Aufklärung und es müssen Schlussfol­gerungen aus dem Pharmaskan­dal gezogen werden.

Diana Golze trage die politische Hauptveran­twortung, sei aber nicht die Alleinschu­ldige, findet FDP-Generalsek­retärin Jacqueline Krüger. Auch Golzes Staatssekr­etärin Almuth Hartwig-Tiedt habe die Probleme weder erkannt, noch sei sie zuletzt als Problemlös­erin aufgetrete­n. »Sie ist damit Teil des Problems und muss ebenfalls abgelöst werden.« Die von Krüger geäußerte Ansicht, es bedürfe »eines kompletten Neuanfangs in der Regierung, mit frischen Personen, in anderer Konstellat­ion« ist das vorhersehb­are Gerede einer Partei, die 2014 aus dem Landtag flog und hofft, bei der Landtagswa­hl 2019 den Wiedereinz­ug ins Parlament zu schaffen. Aussichtsl­os ist das nicht. Exakt fünf Prozent bescheinig­te die jüngste Umfrage den Liberalen.

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Foto: dpa/Britta Pedersen Golze ist gegangen, aber wer übernimmt ihre Aufgaben?

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