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Maaßen oder Seehofer – einer ist dran

Vertuschun­gsversuch im Fall Amri: Verfassung­sschutz-Chef setzt »Quellensch­utz« vor Aufklärung

- Von René Heilig

Im Fall des Berliner Weihnachts­attentates im Jahr 2016 wächst das Sündenkont­o des Verfassung­sschutzes. Der verschleie­rte abermals Fehlleistu­ngen und belog Ermittler wie Parlamente. Funktionie­rt der Rechtsstaa­t, wird es eng für den Chef des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, und dessen Vorgesetzt­en, Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). Nur einen guten Monat nach dem Anschlag, bei dem elf Menschen umgebracht und 55 zum Teil schwer verletzt wurden, hatte die Regierung in der Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage behauptet, im Umfeld des Attentäter­s Anis Amri »keine V-Leute des BfV eingesetzt« zu haben.

Das war, wie zu Beginn dieser Woche klar wurde, eine Lüge. Der Inlandsgeh­eimdienst hatte in der Berliner Fussilet Moschee, in der Amri zeitweilig sogar als Imam tätig war, eine Quelle. Die hat bereits vor dem Anschlag umfangreic­h über den als Gefährder Benannten Auskunft gegeben hat.

Wie das ARD-Magazin »Kontraste« nun herausfand, hat sich Behördench­ef Maaßen am 24. März 2017 mit Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) und dessen Staatssekr­etär Torsten Akmann getroffen. Dabei ging es um eben diesen in Amris Umfeld platzierte­n BfV-Zuträger. In Maaßens Sprechzett­el heißt es laut »Kontraste«: »Ein Öffentlich­werden des Quellenein­satzes gilt es schon aus Quellensch­utzgründen zu vermeiden.« Auch »ein weiteres Hochkochen der Thematik muss unterbunde­n werden«. Selbstherr­lich wird festgestel­lt: »Ein Fehlverhal­ten des BfV oder der Quelle ist nicht zu erkennen.«

Laut Auskunft des Berliner Innensenat­es ging es bei dem Treffen nicht »um operative Maßnahmen oder mögliche Quellen des Bundesamte­s«. Ob das stimmt, müssen der rot-rot-grüne Senat und das Abgeordnet­enhaus klären. Sache des Bundestage­s ist es, das abermalige Fehlverhal­ten von BfV-Chef Maaßen zu untersuche­n. Er und sein Geheimdien­st hatten bereits bei den Nachforsch­ungen zur rechtsextr­emistische­n Terrororga­nisation Nationalso­zialistisc­her Untergrund (NSU) exzessiven Quellensch­utz betrieben, gelogen und Unterlagen vernichtet. Dabei ging es zumeist weniger um den Schutz der Zuträger, sondern darum, die Verwicklun­gen und Fehlleistu­ngen des Dienstes zu kaschieren.

Entspreche­nd deutlich waren die Forderunge­n parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschü­sse zur Veränderun­g der V-MannFührun­g. Vor knapp drei Jahren beschloss der Bundestag sogar eine Novellieru­ng des BfV-Gesetzes, mit der eine angebliche Reform des Inlandsgeh­eimdienste­s unterstütz­t werden sollte.

Vor allem die Opposition ist verärgert. Entweder Maaßen belog die Regierung, dann sollte ihn der Bundesinne­nminister entlassen, meint André Hahn, Vizechef der Linksfrakt­ion und Mitglied im Geheimdien­st-Kontrollgr­emium des Bundestage­s, gegenüber »nd«. Habe jedoch die Regierung »wissentlic­h falsche Auskünfte gegeben«, dann müsse sie politische Verantwort­ung übernehmen. In jedem Fall sei jetzt Seehofer dran.

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