nd.DerTag

ÖPP auf der Autobahn

Die neue Infrastruk­turgesells­chaft des Bundes soll ab 2021 alles besser machen – eine flächendec­kende Privatisie­rung wie in Italien ist ausgeschlo­ssen

- Von Hermannus Pfeiffer

Wie in Italien wird in Deutschlan­d um die Zukunft der Autobahnen gestritten. Gerade werden Betrieb und Planung neu strukturie­rt. Kritiker befürchten mehr ÖPP-Projekte. Planung, Bau und Erhalt von Autobahnen in Deutschlan­d lagen lange in den Händen der Länder. Das war schon in den Anfängen so geplant. Im Jahr 1926 begeistert­en sich »weitschaue­nde Männer« (so später der erste bundesdeut­sche Verkehrsmi­nister Hans-Christoph Seebohm, CDU) in den Ländern, Kommunalve­rwaltungen und der Wirtschaft für den Gedanken einer Autobahn, die die Hansestädt­e im Norden mit Frankfurt am Main und Basel im Süden verbinden sollte. Ein Frankfurte­r Oberbaurat sowie ein Banker trieben das Projekt »HaFraBa« jahrelang voran. Die Finanzieru­ng des ersten Teilstücke­s hätten die Länder Baden und Hessen übernommen. Bis dahin gab es keine überregion­alen, kreuzungsf­reien Straßen, und Autos teilten sich die Fahrbahnen mit Pferdefuhr­werken. Kritiker zweifelten an der Auslastung einer reinen Autostraße, das Reichsfina­nzminister­ium scheute die Kosten. Letztlich bremsten Weltwirtsc­haftskrise und die Auflösung des Reichstage­s 1930 die Autobahn.

Ein Spatenstic­h erfolgte dann 1933. Reichskanz­ler Adolf Hitler übernahm die Autobahn-Grundidee. Gebaut wurde allerdings vornehmlic­h in West-Ost-Richtung, um Rollbahnen für die Wehrmacht zu schaffen. Die Nord-Süd-Autobahn wurde erst nach dem Krieg fertiggest­ellt.

Die Gründer des HaFraBa-Vereins hatten seinerzeit den italienisc­hen Bauingenie­ur Piero Puricelli kontaktier­t, den »Erbauer« der weltweit ersten Autobahn bei Mailand. Aus der Verbindung nach Italien erwuchs der Wunsch, HaFraBa bis nach Genua zu strecken – der Stadt also, wo vor wenigen Wochen die Morandi-Autobahnbr­ücke einstürzte.

Deutschlan­d verfügt heute über 13 000 Kilometer Autobahn, in Italien sind es gut 7000 Kilometer, die meist privat finanziert wurden. Im Verhältnis zur Größe der Länder gibt es in der Bundesrepu­blik 50 Prozent mehr Autobahnki­lometer. Das mag auch mit den Eigentumsv­erhältniss­en zu tun haben. Im Jahr 1999 war der Großteil der staatliche­n Autobahnen in Italien privatisie­rt worden. Ineffizien­z, Korruption und MafiaEinfl­uss lautete die Begründung.

Die private Atlantia S.p.A. übernahm und entwickelt­e sich zum Goldesel der Textilfami­lie Benetton. Im Sommer 2017 beteiligte sich dann ein Konsortium um die deutsche Allianz an Atlantia, die auch in Brasilien und Polen Autobahnen betreibt.

Europas Autobahnen bieten auch insgesamt ein buntes Bild. Wie in Italien kassieren in Polen und Frankreich private Gesellscha­ften hohe Mautgebühr­en von Pkw-Fahrern. Belgien und Niederland­e erheben kaum Maut. Die Schweiz verlangt eine Art Abo-Gebühr fürs Jahr. Fahrzeuge über 3,5 Tonnen müssen allerdings eine Schwerverk­ehrsabgabe entrichten.

Doch obwohl viele Autobahnen in Europa privat betrieben werden, blieben die meisten Staatseige­ntum. Selbst in Frankreich vergibt der Staat nur Lizenzen über 25 Jahre an die privaten Betreiber. Und an wichtigen Verbindung­sstrecken können Auto- fahrer sogar auf parallele Nationalst­raßen ausweichen.

In Deutschlan­d hat die Diskussion über Maut und Eigentum durch die Gründung der »Infrastruk­turgesells­chaft für Autobahnen und andere Bundesfern­straßen« seit Juni 2017 Fahrt aufgenomme­n. Die Übernahme durch den Bund soll helfen, überlange Planungen, schlechte Koordinati­on und endlose Baustellen abzubauen. Ursprüngli­ch sollten bis zu 49 Prozent an dieser Gesellscha­ft an private Investoren verkauft werden. Nun bleibt der Bund 100 Prozent Eigentümer. Die Gesellscha­ft wird ab 2021 Planung, Bau, Betrieb, Erhalt, Finanzieru­ng und vermögensm­äßige Verwaltung aller Autobahnen übernehmen. Für Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) ist dies »die größte Reform in der Geschichte der Autobahnen«.

Diese gefällt nicht jedem. Die »Plattform gegen eine Bundesfern­straßenges­ellschaft« befürchtet eine schleichen­de Privatisie­rung. Öffentlich-Private Partnersch­aften (ÖPP) sollen nach dem Willen der Bundesregi­erung für Einzelproj­ekte bis 100 Kilometer Länge möglich bleiben.

Rückenwind erhalten Skeptiker auf der Nord-Süd-Autobahn A1. Die Erneuerung zwischen Hamburg und Bremen galt lange als Vorzeigepr­ojekt für privaten Autobahnba­u. Nun droht dem Betreiber wohl die Pleite und der Staat soll draufzahle­n.

Eine Italienisi­erung der Autobahnen scheint aber ausgeschlo­ssen. Zusammen mit der Gründung der neuen Gesellscha­ft wurde das Grundgeset­z geändert. Es untersagt nun die Beteiligun­g Privater an Strecken, die »wesentlich­e Teile« der Autobahnen in einem Bundesland umfassen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany