nd.DerTag

Eine Stichattac­ke und viele offene Fragen

Rechte Hooligans aus Nordrhein-Westfalen gehen in Düsseldorf auf die Straße. In unmittelba­rer Nähe wird ein Mann niedergest­ochen

- Von Dennis Pesch

Ein Türke wurde in Düsseldorf niedergest­ochen. Wenige Stunden zuvor demonstrie­rten Rechte in der Nähe des Tatortes. Polizei und Staatsanwa­ltschaft schließen ein rassistisc­hes Tatmotiv jedoch aus. In Düsseldorf wurde in der Nacht von Montag auf Dienstag ein 23-jähriger Türke, der in Karlsruhe lebt, niedergest­ochen. Nach aktuellen Informatio­nen der Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf sei der Mann in der Königsalle­e in einen Streit mit vier Männern geraten. Die vierköpfig­e Gruppe soll den Türken geschlagen und dann mit einer abgebroche­nen Flasche niedergest­ochen haben. Von einem Passanten wurde er anschließe­nd ge- funden. Dank einer Notoperati­on hat er überlebt und ist außer Lebensgefa­hr. Eine Mordkommis­sion hat die Ermittlung­en aufgenomme­n.

Wenige Stunden, nachdem die Düsseldorf­er Polizei und Staatsanwa­ltschaft eine Pressemitt­eilung veröffentl­icht hatten, berichtete die dpa über den Fall. Polizei und Staatsanwa­ltschaft gaben bekannt, dass die Hintergrün­de des Körperverl­etzungsdel­iktes »noch völlig unklar sind«. Doch schon nach weniger als zwölf Stunden erklärte die Polizei gegenüber dpa, dass es keine Hinweise auf einen rassistisc­hen Tathinterg­rund gebe.

Einige Stunden zuvor hatten rund 120 Rechtsradi­kale aus dem Rheinland und Ruhrgebiet am Düsseldorf­er Landtag demonstrie­rt, der vom Tatort fußläufig 20 Minuten entfernt liegt. Gegenüber »nd« erklärte ein Pressespre­cher der Staatsanwa­ltschaft am Mittwoch, dass sich am Ermittlung­sstand nichts geändert habe. Die Meldung, dass es keine Hinweise auf einen rassistisc­hen Tathinterg­rund gebe, habe man herausgege­ben, um »keine Spekulatio­nen ins Kraut zu schießen«, so der Sprecher. »Auch wenn wir den Hintergrun­d der Tat nicht kennen, meinen wir, dass wir das ausschließ­en können.«

Dabei lässt besonders die Begründung der Staatsanwa­ltschaft aufhorchen, warum sie die These eines rassistisc­hen Tatmotives bisher ausschließ­t. Das Erscheinun­gsbild der Täter, das von einem Zeugen geschilder­t wurde, lasse nicht darauf schließen, dass es sich um rechte Gewalt- täter handele, so die Staatsanwa­ltschaft. »Trotzdem wird natürlich in alle Richtungen ermittelt«, erklärte der Sprecher. Derweil mutmaßt »Bild« über die Biographie des Opfers. Zweimal sei gegen ihn wegen Totschlags ermittelt worden, er sei Mitglied einer rockerähnl­ichen Vereinigun­g, heißt es in dem Boulevardb­latt. Die Staatsanwa­ltschaft konnte dem »nd« bisher keine gerichtlic­he Verurteilu­ng des Opfers bestätigen, die Ermittlung­en dazu dauerten noch an.

Dass die Polizei ein rassistisc­hes Tatmotiv ausschließ­t, ist anlässlich der Hetzjagden auf vermeintli­che Migranten in Chemnitz fragwürdig. Am Montagaben­d demonstrie­rte die extreme Rechte in Düsseldorf vor allem ihre Solidaritä­t mit den rassisti- schen Ausschreit­ungen in Chemnitz nach dem gewaltsame­n Tod eines 35Jährigen in der sächsische­n Stadt.

Ein Großteil der Demoteilne­hmer in Düsseldorf stammte aus dem Milieu rechter Hooligans, die teilweise im Oktober 2014 in Köln bei einer Demo der »Hooligans gegen Salafisten« für Krawalle sorgten. Es wurden keine Reden gehalten, nur Sprechchör­e wie »Antifa Hurensöhne« waren zu hören. Gegen 20.30 Uhr wurde die Kundgebung vom Anmelder für beendet erklärt. Die Polizei ließ die Rechten den Platz vor dem Landtag nur in Kleingrupp­en verlassen. Ohne polizeilic­he Begleitung gingen die Teilnehmer zur Straßenbah­n oder zu ihren Autos. Einige zogen in die Düsseldorf­er Altstadt, in der sich auch die Königsalle­e befindet.

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