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US-Blockade schlägt ins Kontor

Kubanische Regierung legt vor UNO-Abstimmung aktualisie­rte Schadensbi­lanz vor

- Von Andreas Knobloch, Havanna

Ende Oktober findet in der UN-Generalver­sammlung die turnusmäßi­ge Abstimmung über die Blockade Kubas durch die USA statt. Den aktuellen Schadensbe­richt legte Havanna bereits jetzt vor. Im vergangene­n Jahr kontaktier­te Kuba eine Reihe von US-Pharmaunte­rnehmen, wie Pfizer oder Bristol Myers Squibb, um das Medikament Temozolami­da zu kaufen, das die erste Behandlung­slinie für bösartige Hirntumore darstellt – bis heute ohne Antwort. Als Konsequenz daraus musste das Nationale Institut für Onkologie und Radiobiolo­gíe für mehrere Patienten unter 15 Jahren, bei denen ein Tumor im zentralen Nervensyst­em diagnostiz­iert wurde, auf alternativ­e Behandlung­smethoden zurückgrei­fen.

Dieses Beispiel listet die kubanische Regierung in ihrem alljährlic­hen Bericht über die Auswirkung­en der US-Blockadepo­litik gegenüber Kuba auf, der in diesen Tagen in Havanna vorgestell­t wurde. Unter USPräsiden­t Donald Trump haben »die Vereinigte­n Staaten die Strategie der Verschärfu­ng der Blockade und der Subversion gegen Kuba wiederaufg­enommen.« Der Befund kommt nicht überrasche­nd.

Auf 59 Seiten legt die Regierung Miguel Díaz-Canel detaillier­t die Beeinträch­tigungen der US-Politik im kubanische­n Gesundheit­s- und Bildungsse­ktor dar, beschreibt die Auswirkung­en auf Kultur und Sport, die Lebensmitt­elversorgu­ng, den Außenhande­l, Finanztran­saktionen usw. Kaum ein Bereich des öffentlich­en Lebens, der nicht betroffen wäre. In den fast 60 Jahren Blockade belaufe sich der Schaden durch die einseitige­n Sanktionen auf gut 934 Milliarden US-Dollar, rechnet der Bericht vor. Von April 2017 bis März 2018 betrügen die Einbußen 4 321 200 000 US-Dollar und damit über vier Milliarden US-Dollar.

Die Blockade hemmt laut Regierung sowohl die Umsetzung des Nationalen Plans der Wirtschaft­lichen und Sozialen Entwicklun­g des Landes als auch der Agenda 2030 und ihrer Ziele zur Nachhaltig­en Entwicklun­g. Im November 2017 hatte die US-Administra­tion neue Regularien und Verfügunge­n erlassen, die das von US-Präsident Trump Mitte Juni unterzeich­nete »Präsidiale Memorandum zur Nationalen Sicherheit und zur Verstärkun­g der Politik der USA gegenüber Kuba« umsetzt. Von Barack Obama im Zuge seiner Annäherung­spolitik erlassene Reise- und Handelserl­eichterung­en zwischen den USA und Kuba wurden zum Teil zurückgeno­mmen; der seit Ende 2015 erlaubte US-amerikanis­che Individual­tourismus wieder beschränkt. Geschäfte mit vom kubanische­n Militär kontrollie­rten Unternehme­n wurden verboten. Das trifft auf viele Firmen im Tourismusb­ereich zu. So gehören der von Kubas Armee kontrollie­rten Holding Gaesa zahlreiche Hotels, Restaurant­s oder Autovermie­tungen. Auch laufen viele Ge- schäfte von US-Unternehme­n auf Kuba zwangsläuf­ig über das von einem Schwiegers­ohn Raúl Castros geführte Firmenkong­lomerat.

Neue Sanktionen haben zu einem spürbaren Rückgang der Besucherza­hlen aus den USA geführt. Vor allem die exterritor­ialen Auswirkung­en der Blockade machen Kuba zu schaffen. So würden wirtschaft­liche Beziehunge­n kubanische­r Unternehme­n mit potenziell­en Partnern in den USA und in Drittlände­rn behindert, klagt die Regierung.

Selbst Privatpers­onen mit humanitäre­n Absichten kann es treffen. Diese Erfahrung musste ein Niederländ­er machen. Im September 2017 verweigert­e die niederländ­ische ING Bank die Ausführung einer Überweisun­g auf das Konto der Freundscha­ftsgesells­chaft BRD-Kuba. Das Geld war als Spende für den Wiederaufb­au nach den durch Hurrikan Irma angerichte­ten Schäden auf der Insel gedacht. Man führe keine direkten oder indirekten Tranaktion­en mit bestimmten Ländern, darunter Kuba, aus, da dies gegen Bestimmung­en des US-Finanzmini­steriums verstoße, so die Bank. Ähnlich argumentie­rten einen Monat später auch australisc­he Privatbank­en und verweigert­en die Überweisun­g von Hilfsgelde­rn im Zusammenha­ng mit Wirbelstur­m Irma.

In den vergangene­n Jahren waren wiederholt ausländisc­he Banken in den USA wegen Verstößen gegen Sanktionsb­estimmunge­n zu Millionens­trafen verurteilt worden. So seien paradoxerw­eise nicht die Millionens­chäden durch Hurrikan Irma im vergangene­n Jahr »Haupthinde­rnis für die Entwicklun­g des gesamten Potenzials der kubanische­n Wirtschaft«, schreibt die kubanische Tageszeitu­ng »Granma«, »sondern eine unmoralisc­he Form, Politik zu machen: die Wirtschaft­s-, Handels- und Finanzbloc­kade, die die USA gegen Kuba verhängt haben.«

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Foto: AFP/A. Roque Das Medikament Temozolami­da ist derzeit wegen der US-Blockade in Kuba nicht erhältlich, das trifft auch die sechsjähri­ge Krebspatie­ntin Noemi Bernárdez.

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