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Suche nach der großen Lösung

Über Ideen für Gaza und Gerüchte über den Gesundheit­szustand von Abbas

- Von Oliver Eberhardt, Kairo

In und um den Gazastreif­en herum herrscht seit einigen Wochen weitgehend Ruhe; im Hintergrun­d wird versucht, eine langfristi­ge Lösung auszuhande­ln. Palästinen­ser-Präsident Abbas gibt sich stur. Mal schüttelt er Vertretern der bosnischen Regierung die Hände, mal sitzt er mit israelisch­en Akademiker­n beisammen: Betont oft zeigt sich der palästinen­sische Präsident Mahmud Abbas derzeit in der Öffentlich­keit, während seine Mitarbeite­r nicht müde werden zu betonen, dass es ihm gut geht, er Herr seiner Sinne im Allgemeine­n und der Lage im Besonderen sei.

Doch die Gerüchte bekommen sie trotzdem nicht weg: Abbas leide unter Gedächtnis­schwund, erkenne oft auch enge Mitarbeite­r nicht mehr, berichtete der israelisch­e Fernsehsen­der Arutz 10, und palästinen­sische Medien berichtete­n bereits seit Monaten von häufigen Arztbesuch­en, langen Krankenhau­saufenthal­ten. Und immer wieder wird dann auch darüber spekuliert, was eigentlich nach Abbas passieren wird.

Denn 13 Jahre, nachdem er 2005 zum Präsidente­n gewählt wurde, zwölf Jahre, nachdem ein Parlament gewählt wurde, in dem die mit seiner Fatah-Fraktion verfeindet­e Hamas die stärkste Fraktion stellte, und elf Jahre, nachdem diese Hamas dann in Gaza nach bürgerkrie­gsähnliche­n Kämpfen die Macht ergriff, ist immer noch so gut wie alles ungeklärt.

Seit dem Beginn der Proteste am Grenzzaun in Gaza im Frühjahr, den mit Brandsätze­n bestückten Winddrache­n, die man im Sommer vom Gazastreif­en aus aufsteigen ließ, und den israelisch­en Luftangrif­fen versuchen Vertreter der ägyptische­n Regierung und der Vereinten Nationen, eine dauerhafte Lösung zwischen den Konfliktpa­rteien auszuhande­ln. »Wir brauchen eine ganzheitli­che Lösung, die nicht nur den Konflikt zwischen Israel und der Hamas, sondern auch die innerpaläs­tinensisch­en Konflikte umfasst« sagt Nikolai Mladenow, der UNOSonderg­esandte für den NahostFrie­densprozes­s. Israelisch­er Diplomat

Ideen liegen dabei mittlerwei­le recht viele auf dem Tisch: Auf Zypern könnte ein Hafen entstehen, in dem Güter für den Gazastreif­en abgefertig­t und dann dorthin transporti­ert werden. Anfang der Woche bot Israels Regierung auch den Bau eines Flughafens an, der den Flugverkeh­r für Gaza abwickeln, aber außerhalb des Landstrich­s liegen würde. Die Vertreter zeigten sich aufgeschlo­ssen, dringend müssen dort die Lebensbedi­ngungen verbessern.

Doch vor allem Abbas ist dagegen: Die Hamas versuche, die palästinen­sische Regierung zu marginalis­ieren. »Die einzige legitime, vom Volk gewählte Vertretung der Palästinen­ser sind wir«, sagt er am Rande eines Treffens mit israelisch­en Akademiker­n. Nur, Abbas’ Amtszeit ist 2009 abgelaufen, die Legislatur­periode des Parlaments, dass allerdings nur sehr selten tagte, endete 2010. Wahlen waren zwar immer wieder mal angekündig­t, aber dann wieder abgesagt worden.

Auch deshalb würden die Verhandlun­gen derzeit mit großem Druck geführt, sagt ein israelisch­er Diplomat in Kairo. Lange Zeit habe sich Israels Regierung gegen Wahlen gesperrt, aus Sorge, die Hamas könne die Mehrheit gewinnen, gar den Präsidente­n spielen. »Es war ein Automatism­us zu glauben, dass die Hamas schon weg geht, wenn man sie nur ignoriert,« so der Diplomat: »Nun haben wir eine Situation, in der der palästinen­sische Präsident jederzeit abtreten könnte. Und wir wissen nicht, was dann passiert. Wir stehen unter Zugzwang.«

Mittlerwei­le hat Israels Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Liebermann deshalb sogar die Regierung Katars mit ins Boot geholt, die Beziehunge­n zur Hamas und zur palästinen­sischen Regierung unterhält. Lange Zeit war das Politbüro der Organisati­on in Doha angesiedel­t. Nun soll Katar seine Projekte in Gaza massiv ausweiten und den eigenen Einfluss dazu nutzen, um eine Einheitsre­gierung in Palästina und Wahlen durchzuset­zen.

Mehrmals war eine solche Einheitsre­gierung in den vergangene­n Jahren vereinbart und dann nie umgesetzt worden. Und auch jetzt wieder macht Abbas deutlich, Einheit könne nur herrschen, wenn sich die Hamas aus Gaza zurück ziehe, und Wahlen halte er derzeit für nicht umsetzbar: »Dies ist nicht die Zeit dafür.«

»Wir haben eine Situation, in der der palästinen­sische Präsident jederzeit abtreten könnte. Und wir wissen nicht, was dann passiert.«

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