nd.DerTag

Verkehrsch­aos und Wohnungsno­t

In Potsdam streiten sechs Oberbürger­meisterkan­didaten über die zwei wichtigste­n Themen der Stadt

- Von Andreas Fritsche

Die Bürger wollen wissen, was Mike Schubert oder Martina Trauth als Rathausspi­tze tun würden, um ihre Probleme zu lösen. Doch beschließe­n müssen die Stadtveror­dneten. Im Alten Rathaus, wo nur das Stadtmuseu­m untergebra­cht ist, treten am Mittwochab­end die sechs Männer und Frauen auf, die demnächst als neuer Oberbürger­meister im aktuellen Potsdamer Rathaus das Sagen haben möchten. Am 23. September wird gewählt. Die »Märkische Allgemeine« hat zum Talk mit den Kandidaten eingeladen. Der Saal ist groß und trotzdem bis auf den letzten Platz belegt. Wer keinen Stuhl mehr gefunden hat, sitzt auf einer Fensterban­k oder lehnt an der Wand. Selbst draußen sind noch Menschen und schauen sich dort an einem Bildschirm die Übertragun­g der Veranstalt­ung an.

Diskutiert wird über die Probleme, die aus Sicht der Bürger am dringendst­en einer Lösung bedürfen: Eine Meinungsum­frage zufolge halten 57 Prozent der Potsdamer das Verkehrsch­aos und 44 Prozent die Wohnungsno­t für die wichtigste­n Themen in der Stadt. Alle anderen Themen landeten weit abgeschlag­en, etwa Kriminalit­ät (drei Prozent) oder Flüchtling­e (zwei Prozent) und sogar Kitas und Schulen (16 Prozent).

Gern wird darüber geredet, ob eine dritte Brücke über die Havel die alltäglich­en Staus in der Innenstadt auflösen könnte. Doch das Reden über die sogenannte Havelspang­e hilft nicht weiter. Im aktuellen Bundesverk­ehrswegepl­an steht sie nicht drin – und wenn es den nächsten gibt, ist die achtjährig­e Amtszeit des neuen Oberbürger­meisters schon wieder vorbei. »Bevor die Havelspang­e fertig sein könnte, ist das Erdöl alle«, frotzelt Lutz Boede, Kandidat der linksalter­nativen Wählergrup­pe »Die Andere«. Boede ist für eine autofreie Innenstadt. Doch Götz Friedrich (CDU) und Dennis Hohloch (AfD), der an einer Berliner Schule Geschichte und Geografie unterricht­et, legen sich für den Autoverkeh­r ins Zeug.

Nach Investitio­nen in Radwege gefragt, hat Mike Schubert (SPD) die Zahl nicht parat, aber Martina Trauth (für LINKE) kann Auskunft geben. Sie möchte die Summe von zehn Euro pro Jahr und Einwohner auf 18 Euro erhöhen. Dagegen legt sie sich nicht fest, wie autofrei die Innenstadt ihrer Ansicht nach ganz konkret sein sollte. Das will sie mit den Bürgern besprechen wie viele andere Dinge auch. Ihr basisdemok­ratischer Politikans­atz überzeugt aber nicht alle Zuhörer. Wenn nicht resolut ent- schieden wird, dann werde nie etwas daraus, sagt ein Herr, bevor er geht, weil ihm die Diskussion zu langweilig wird. Dabei ist der abendliche Talk keineswegs einschläfe­rnd. Es geht lebhaft zu. Es wird gelacht, geklatscht und gebuht – auch, als es um bezahlbare Wohnungen geht. Selbst bei der kommunalen Pro Potsdam GmbH kosten Neubauwohn­ungen zehn Euro pro Quadratmet­er, beklagt Martina Trauth. Ihr Rezept: einen Teil von Pro Potsdam in ein gemeinnütz­iges Unternehme­n verwandeln, das dadurch Steuern spart und wieder Mieten von sechs Euro pro Quadratmet­er anbieten könnte.

Die Kandidaten von CDU und AfD behaupten noch immer, dass sich bezahlbare Mieten auch mit privaten Investoren realisiere­n lassen. Doch die Belegungsb­indung entfällt nach 15 Jahren, die Quartiere werden dann auch teuer und der knappe Platz in der wachsenden Stadt ist weg, stellt Lutz Boede klar. Er wirbt für ein großes Kontingent städtische­r Wohnungen, bei denen die Preise nicht einfach regelmäßig an den Mietspiege­l angepasst werden, sondern nur noch steigen, wenn die Wohnungen modernisie­rt werden. Auch der SPD-Politiker Schubert hat erkannt: Darauf zu setzen, dass der Markt es regelt, war ein Fehler. Janny Armbruster (Grüne) hat natürlich auch etwas zu sagen. Aber das ist uninteress­ant, denn sie hat laut einer Forsa-Umfrage bei der OB-Wahl die geringsten Chancen. Vorn liegt mit 29 Prozent Mike Schubert, gefolgt von Martina Trauth mit 25 Prozent. Und überhaupt: die wichtigen Entschlüss­e fasst das Stadtparla­ment, und über dessen Zusammense­tzung entscheide­t erst die Kommunalwa­hl im Mai 2019.

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Foto: nd/Andreas Fritsche Im Potsdamer Ortsteil Fahrland

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