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Schnellste­r Fahrradkur­ier gesucht

Community trifft sich zur Deutschen Meistersch­aft

- Von Martina Rathke, Greifswald

Fahrradkur­iere sind aus deutschen Großstädte­n nicht mehr wegzudenke­n, die Szene wächst stetig. 1993 das erste Mal in Berlin – und inzwischen einmal im Jahr trifft sich die Community der Radkuriere zur Deutschen Meistersch­aft, diesmal in Greifswald (Mecklenbur­g-Vorpommern). Dabei radeln die Kuriere über Kopfsteinp­flaster, treten in den Kategorien Normalrad und Lastenrad gegeneinan­der an und fahren in voller Montur mit Tasche und Helm verschiede­ne Stationen in einem bestimmten Stadtareal ab – und das möglichst effizient. Die Strecke soll den Kurierallt­ag simulieren.

Klar, es gehe um Schnelligk­eit, sagt Kunststude­ntin Victoria Hilsberg, die schon in Berlin und Leipzig als Fahrradkur­ierin arbeitete. »Wer ein großes Kombinatio­nsvermögen und Organisati­onstalent hat, ist aber klar im Vorteil«, sagt die 26-jährige Mitorganis­atorin des Events. Weil sie zuvor in Greifswald studierte, die knapp 60 000 Einwohner zählende Universitä­tsstadt als fahrradbes­essen erlebt hat, schlug sie die Hansestadt als Austragung­sort vor – und das, obwohl es dort bislang keine einzige Radkurierf­irma gibt. Fahrradkur­ierunterne­hmen als umweltfreu­ndliche Transporta­lternative­n zum Auto sind in Deutschlan­d derzeit noch vor allem im Großstadtd­schungel zu Hause, wo Radler oftmals schneller als Kurierauto­s sein können.

Die Überzeugun­g von nachhaltig­er Mobilität, der Spaß und der Erfahrungs­austausch stünden bei der Meistersch­aft aber im Vordergrun­d, sagt Hilsberg. Zwar treibe auch der Sport die meist junge Community zum Wettkampf. »Man will sich messen, aber völlig ohne negativen Ehrgeiz.« Fahrradkur­ier zu sein sei ein eigener Lebensstil. »Frühmorgen­s geht die Funke an.

Der Großteil der Kuriere arbeite selbststän­dig – mit allen Risiken, sagt Victoria Hilsberg.

Während andere in der Bahn oder im Auto sitzen, ist man früh an der frischen Luft und kann sich die Arbeit selbststän­dig einteilen«, beschreibt die Studentin die schönen Seiten des Berufs.

Gleichwohl seien die Arbeitsbed­ingungen aber nicht selten auch prekär, sagt Hilsberg. Der Großteil der Kuriere arbeite selbststän­dig – mit allen Risiken, die damit verbunden seien. Gewerkscha­ftlich organisier­t sind Fahrradkur­iere nicht. Belastbare Zahlen, wie viele Fahrradkur­iere in Deutschlan­d arbeiten, gibt es auch bei der Berufsgeno­ssenschaft Verkehr nicht. Die hatte jedoch 2016 die Versicheru­ngsbeiträg­e für Fahrradkur­iere erhöht. Begründet wurde das mit dem hohen Unfallrisi­ko, dem sie ausgesetzt seien.

Rund 100 Teilnehmer treten in der Hansestadt zum Turnier an, teilnehmen kann jeder. »Wer allerdings aufs Treppchen will, muss mindestens einmal in seinem Leben bei einer Fahrradkur­ierbude gearbeitet haben«, sagt Hilsberg. Weil in der lettischen Hauptstadt Riga erst vor wenigen Tagen die Weltmeiste­rschaft zu Ende ging, sind auch Teilnehmer aus anderen Ländern gleich nach Greifswald gekommen.

Auch für eine überschaub­are Stadt wie Greifswald ist das Thema Kurierfahr­ten per Rad interessan­t geworden. In einem Forschungs­projekt, das parallel in Kommunen in Schweden und Polen läuft, untersuche­n Wissenscha­ftler, ob Lastenräde­r auch in kleineren Städten eine Alternativ­e zu Dienstauto­s sind.

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