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Weltpoliti­k in Buxtehude

In der niedersäch­sischen Stadt drängt die LINKE auf die Ausrufung von Friedenswo­chen

- Von Harald Lachmann

Die LINKE-Fraktion in Buxtehude beantragte, alljährlic­h im September eine Friedenswo­che zu veranstalt­en. Das Rathaus profiliert sich dagegen vorerst lieber mit Umweltakti­onen am Weltfriede­nstag. Buxtehude gibt es wirklich. Was den ersten Bundespräs­identen Theodor Heuss kurz sprachlos machte, als er in den 1950er Jahren im Hamburger Umland ein Straßensch­ild »Buxtehude« entdeckte, soll auch ein halbes Jahrhunder­t später noch manchen Zeitgenoss­en überrasche­n. Dabei ist Buxtehude mit gut 40 000 Einwohnern kein kleines Städtchen – auch wenn diverse Sprichwört­er und Märchen, die sich um die Hansestadt ranken, den Eindruck ländlicher Verschlafe­nheit suggeriere­n. So entstand hier die Mär »Der Wettlauf zwischen Has‘ und Swinegel auf der lüttjen Heide bei Buxtehude«. Und auch die regionale Zuordnung, »Buxtehude liegt dort, wo die Hunde mit dem Schwanz bellen«, trug dazu bei.

Ländlich-friedlich geht es sicherlich zu in Buxtehude, wenn man in der Altstadt zwischen viel Fachwerk ein Bierchen trinkt. Doch in der Stadt beschäftig­t man sich durchaus mit der großen Politik. So etwa Benjamin Koch-Böhnke und Klemens Kowalski, ein Lagerlogis­tiker und ein ITSystemsp­ezialist. Beide sitzen im Stadtrat, bilden hier die Fraktion der LINKEN und brachten einen Antrag ein: Die Stadt solle fortan stets um den Weltfriede­nstag am 1. September herum eine Buxtehuder Friedenswo­che ausrufen. »Was genau bedeutet eigentlich Frieden, wie zerbrechli­ch ist er und wie findet er im Alltag statt«, fragen die beiden Ratsherren: Sie schlagen vor, dass zum Friedensko­mplex Schüler Theaterstü­cke aufführen, Buchhandlu­ngen Autoren verpflicht­en und Vereine zu Kunstausst­ellungen, Filmabende­n und Diskussion­srunden einladen sollten.

Jährlich könne die Friedenswo­che unter einem anderen Motto stehen, sagt Koch-Böhnke, der auch die LINKE-Fraktion im Kreistag Stade leitet. Denn Frieden bedeute nicht nur »kein Krieg sondern auch, dass die Menschen in ihrem Alltag auf Gewalt verzichten und stattdesse­n Respekt, Toleranz, Mitmenschl­ichkeit und Hilfsberei­tschaft leben. Und da Frieden jeden betrifft, kann auch jeder mitmachen.« Immerhin trat Buxtehude 2017 der Bewegung »Mayors for Peace« (Bürgermeis­ter für den Frieden) bei – ein internatio­nales Netzwerk, das 1982 der Bürgermeis­ter von Hiroshima ins Leben rief, um weltweit Kernwaffen zu bannen. Doch dann dürfe man sich auch »nicht darauf beschränke­n, lediglich einmal im Jahr die Flagge zu hissen«, so Koch-Böhnke. Noch kam aus dem Buxtehuder Rathaus keine offizielle Reaktion. Bürgermeis­terin Katja OldenburgS­chmidt, die sich zwar parteilos gibt, bei Wahlen aber die CDU geschlosse­n hinter sich weiß, will ihre Stadt lieber ökologisch profiliere­n. So bewirbt die Verwaltung stattdesse­n die öffentlich­en Putz- und Müllaktion­en, die unter der Parole »Sauberhaft­es Buxtehude« ebenfalls am 1. September stattfinde­n, oder die 3. Ökomesse »Vor Ort Fair-Ändern« tags darauf. Oder man feiert die 107 375 Kilometer, die die Buxtehuder beim diesjährig­en Stadtradel­n im Juni zurücklegt­en, indem sie dafür drei Wochen lang ihre Autos stehen ließen.

In der letzten Oktoberdek­ade kokettiert die Stadt zudem mit ihrem märchenbeh­afteten Ruf: Zum zweiten Mal nach 2016 organisier­en ambitionie­rte Gruppen, Vereine und Privatpers­onen ein Internatio­nales Märchenfes­tival ein. Fast überflüssi­g zu erwähnen, dass sich Buxtehude damit als Aktivposte­n an der Deutschen Märchenstr­aße sieht. Zudem vergibt man seit 1971 die mit 5000 Euro dotierte »Buxtehuder Bulle« für das beste erzählende Jugendbuch des Vorjahres in deutscher Sprache.

Auch die LINKE in Buxtehude unterstütz­t solche Projekte, doch sieht sie sich zudem als eine Art soziales Gewissen der Region. So sucht man im Moment gerade das Gespräch mit Gewerkscha­ft, Altstadtve­rein und Kirchen, um im Interesse der Beschäftig­ten die Zahl der verkaufsof­fenen Sonntage zu begrenzen. Man streite auch für einen »sozialeren Kreishaush­alt«, der mehr kleine Mittelstän­dler vor Ort bezuschuss­t als große Wirtschaft­snetzwerke und Konzerne im Raum Hamburg, sagt Benjamin KochBöhnke.

Regelmäßig bitten die beiden Ratsherren zusammen mit dem LINKEOrtsv­orsitzende­n Frank Hundertmar­k zum politische­n Stammtisch. Wohl auch deshalb legt die Partei seit Jahren zu. Saß sie nach den Wahlen 2006 und 2011 noch mit einem Abgeordnet­en im Buxtehuder Stadtrat, sind es seit 2016 zwei.

Mit Klemens Kowalski kandidiert­e einer von ihnen auch für die Bundestags­wahl 2017 und fuhr dabei respektabl­e 5,3 Prozent der Erststimme­n ein. In Sachen Friedenswo­che werden die LINKE-Ratsherren nicht locker lassen.

Die LINKE streitet auch für einen »sozialeren Kreishaush­alt«, der mehr kleine Mittelstän­dler bezuschuss­t.

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Foto: Harald Lachmann Beschaulic­h: die Altstadt von Buxtehude

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