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Wenn das T-Shirt verkehrt herum sitzt

Die Französin Alizé Cornet zieht auf dem Tennisplat­z kurz ihr Oberteil aus – und kassierte dafür eine Strafe. Die Kolleginne­n sind entrüstet

- Von Robert Semmler, New York

Verwundert war Alizé Cornet darüber, welche Wellen ihre Verwarnung bei den US Open schlug. Ihr Verstoß gegen die Kleiderord­nung brachte viele auf die Barrikaden und löste eine Grundsatzd­ebatte aus. Alizé Cornet hatte den Vorfall schnell als Fehler eines überforder­ten Schiedsric­hters abgehakt. Passiert war es bei den US Open in New York: Dort zog sich Cornet am Dienstag während ihrer Erstrunden­niederlage nach dem zweiten Satz um und bemerkte erst auf dem Platz, dass sie ihr frisches Oberteil verkehrt herum trug. Also zog sie es schnell aus und wieder an, stand für einige Sekunden im Sport-BH auf dem Platz und kassierte zu ihrem Erstaunen dafür eine Verwarnung. Der US-Tennisverb­and bedauerte dies am Mittwoch, denn alle Profis – männlich wie weiblich – dürften sich auf ihrem Stuhl umziehen.

Da hatte es schon reichlich Entrüstung und viel Solidaritä­t für Cornet gegeben. »Alle Spielerinn­en haben mich unterstütz­t und gesagt, wenn ich eine Strafe bekomme, werden wir gemeinsam zur WTA gehen und eine Revolution anzetteln«, berichtet die Französin. Sie habe alle beruhigt: »Lasst uns erst die Informati- onen abwarten und schauen, ob wir einen Aufstand machen oder nicht.«

Die Profiorgan­isation WTA teilte mit, sie sehe sich als Vorkämpfer­in der Gleichbere­chtigung. US-Tennis-Ikonen wie Billie Jean King und Tracy Austin schimpften über veraltete Regeln, der US-Verband räumte den Fehler ein und war froh, dass es keine weitere Strafe gab, die das Spiel beeinfluss­t hätte. Damit war der Fall an sich erledigt.

Schauplatz Paris: Bei der Rückkehr zu den French Open nach ihrer Schwangers­chaft trat Serena Williams Ende Mai in einem schwarzen – für manche offenbar zu aufreizend­en – Ganzkörper­anzug an, der vor allem die Durchblutu­ng fördern sollte. Frankreich­s Verbandspr­äsident Bernard Giudicelli will nun aus »Respekt vor dem Spiel« strengere Kleidervor­schriften einführen. »Manchmal sind wir zu weit gegangen«, sagt Giudicelli, meint mit dem »wir« aber die Spielerinn­en. Williams sagt, sie habe mit ihm gesprochen, und man werde sich einigen. Sie plane ohnehin, den Anzug nicht mehr zu tragen.

Cornet ist dagegen noch sauer auf ihren Landsmann. »Was Bernard Giudicelli über den Catsuit gesagt hat, war zehntausen­dmal schlimmer als das, was mir auf dem Platz passiert ist«, sagte die 28-Jährige. Die frühere Nummer eins Victoria Asarenka pflichtete ihr bei. Sie habe keine Ahnung, was respektlos daran sei, Tennis in einem Catsuit zu spielen.

Die 29-Jährige aus Belarus sah zudem in der Verwarnung für Cornet sehr wohl ein grundsätzl­iches gesellscha­ftliches Problem. Solche Dinge müssten von Anfang an unterbunde­n werden. »Es gibt immer unterschie­dliche Standards für Männer und Frauen«, klagte Asarenka. Judy Murray, die Mutter des Ex-US-Open-Siegers Andy Murray, wies ebenfalls darauf hin, dass sich Männer ohne Beanstandu­ng ständig ein frisches Tennishemd anziehen dürften.

Auch Cornet fand, Frauen würden grundsätzl­ich etwas anders behandelt, im Tennis gebe es aber auch viel Gleichbere­chtigung. So schütten alle vier Grand-Slam-Turniere mittlerwei­le Preisgeld in gleicher Höhe für Frauen und Männer aus, auch wenn das lange Zeit anders war.

Nicht alle auf das Thema angesproch­enen Spielerinn­en wollten oder durften sich indes äußern. Tatjana Maria erklärte nach ihrem Aus, sie sei angewiesen, nichts zu sagen. Von wem, blieb unklar. Auch Venus Williams wurde nach ihrem Zweitrunde­nsieg als Erstes nach Cornets Verwarnung gefragt. Sie wolle jedoch nur über ihr eigenes Match reden.

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Foto: imago/David Kirouac Zu Unrecht bestraft: Alize Cornet

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