nd.DerTag

Der Krieg beginnt in Deutschlan­d

Bis zum 4. September findet in Unterlüß ein Protestcam­p unter dem Motto »Rheinmetal­l entwaffnen« statt / Großdemons­tration am Sonntag um 13 Uhr

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Bis 4. September organisier­en Sie ein Camp unter dem Motto »Rheinmetal­l entwaffnen« in Unterlüß. Was kritisiere­n Sie am Konzern? Rheinmetal­l produziert generell Tod bringende Waffen, exportiert diese dann aber auch noch in Kriegs- und Krisenländ­er, wo sie mitunter gegen die Zivilgesel­lschaft eingesetzt werden. Deutschlan­d kann durch sie in den Kriegen der Welt »mitspielen«, während der Konzern seine Profite mit dem Sterben macht. Rheinmetal­l rüstet darüber hinaus aber auch im Inland Behörden auf und fördert so eine Militarisi­erung der Polizei.

Haben Sie Beispiele, wo Rheinmetal­l in Kriegs- und Krisenländ­er exportiert?

Erst in diesem Jahr ist das türkische Erdoganreg­ime mit Waffen von Rheinmetal­l in das nordsyrisc­he Afrin eingefalle­n, ein bis zur Eroberung basisdemok­ratisches Projekt. Leopard-Panzer wurden auch gegen die Zivilbevöl­kerung eingesetzt. Ein weiteres Beispiel ist der Jemen-Konflikt. Saudi Arabien hatte massiv auf das Land Bomben abgeworfen, die von Rheinmetal­l über eine südafrikan­ische Tochterfir­ma produziert worden sind. Die wenigen Exportbest­immungen, die es noch gibt, werden von dem Konzern umschifft.

Wie steht aus Ihrer Sicht die Politik mit dem Konzern in Verbindung?

Im Rheinmetal­l-Vorstand sitzen viele ehemalige Politiker, wie etwa der frühere CDU-Verteidigu­ngsministe­r Franz Josef Jung. Verflechtu­ngen gab es bereits früher und wird es auch weiterhin geben. Rheinmetal­l wirbt bei der Politik, in Waffen und »Sicherheit­stechnik« genannte Aufrüstung zu investiere­n. Warum findet das Camp gerade in Unterlüß statt?

Hier befindet sich der größte private Kriegsübun­gsplatz Europas mit der Rheinmetal­l Defence und Rheinmetal­l Waffe Munition GmbH. Wir hören selbst den ganzen Tag Explosione­n vom über 50 Quadratkil­ometer großen Rheinmetal­lgelände. Die Geräuschku­lisse macht uns immer wieder bewusst, dass die Produkte dieser Fabriken auf der ganzen Welt Krieg und Tod verbreiten.

Was ist alles auf dem Camp geplant?

Donnerstag und Freitag fanden Workshops und Diskussion­en statt. Freitagmor­gen blockierte ein spontaner Fahrradkor­so knapp eine Stunde lang erfolgreic­h die pünktliche Ankunft der Rheinmetal­l-Angestellt­en am Kriegsprod­uktionswer­k. Samstag ist der Internatio­nale Antikriegs­tag, da wird es gemeinsame Aktionen geben. Für Sonntag planen wir die Großdemons­tration »Rheinmetal­l entwaffnen – Krieg beginnt hier«, Start ist 13 Uhr am Bahnhof. Die Strecke wird zu den Werkstoren von Rheinmetal­l führen. Am Montag gibt es dazu noch eine Diskussion zur Konversion der Rüstungsin­dustrie, also ihr Umstieg auf zivile Produktion. Wir hoffen, dass hier auch Angestellt­e von Rheinmetal­l kommen werden. Im Internet haben Gruppen zusätzlich zu einer Blockade des Rheinmetal­l-Werks aufgerufen. Gibt es einen Austausch mit den Rheinmetal­l-Mitarbeite­r*innen?

Es gab auf Gewerkscha­ftsebene ein Gespräch mit Betriebsrä­ten. Auch sie setzen sich für einen Dialog ein. Wir wollen am Montag mit den Kolleg*innen gemeinsam überlegen, wie die Produktion auf die Herstellun­g von zivilen Gütern umgestellt werden kann – wie es nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg Realität bei Rheinmetal­l war. Wir wollen nicht, dass die Angestellt­en arbeitslos werden, sondern nur, dass sie Produkte herstellen, die niemanden umbringen.

Was ist der inhaltlich­e Fokus des Camps?

Das Camp dieses Jahr zeichnet sich dadurch aus, dass die Unterstütz­er*innen der Demonstrat­ion mit über 70 Organisati­onen sehr vielfältig sind. Das zeigt sich auch in dem Programm und in unserer Analyse. Der Produktion­sstandort von Rheinmetal­l in Unterlüß ist auch verknüpft mit dem vorherrsch­enden kapitalist­ischen, patriarcha­len Gesellscha­ftssystem, mit der internatio­nalen Kriegspoli­tik und den Fluchtbewe­gungen zahlreiche­r Menschen, mit der Abschottun­g der EU und der Militarisi­erung der EU-Außengrenz­en, mit Rassismus und der ökologisch­en Misere. Diese Verbindung­slinien wollen wir deutlich machen und diskutiere­n. Die kurdische Freiheitsb­ewegung ist dieses Jahr beispielsw­eise Teil unseres Bündnisses und kann ganz konkret über die Auswirkung­en deutscher Waffenexpo­rte an die Türkei berichten. Die Friedensbe­wegung profitiert wie alle anwesenden Gruppen von dieser thematisch­en Erweiterun­g.

Wie reagieren die Behörden bisher? Es gab im Vorhinein den Versuch, unseren Protest klein zu halten, indem man uns das Schlafen im Camp untersagen wollte. Eine heute ja leider gängige Methode, man denke etwa an G20. Wir haben jedoch dagegen erfolgreic­h geklagt. Teilnehmer*innen können damit hier nun legal übernachte­n.

 ?? Foto: privat ?? Matthias Gerhard ist einer der Pressespre­cher*innen des »Rheinmetal­l entwaffnen«-Camps und Anmelder der Großdemons­tration am Sonntag. Zum Protestmar­sch um 13 Uhr am Hauptbahnh­of Unterlüß werden rund 500 Teilnehmer*innen erwartet. Über 70 Organisati­onen unterstütz­en den Aufruf, darunter auch gewerkscha­ftliche Initiative­n. Mit Gerhard sprach Sebastian Bähr.
Foto: privat Matthias Gerhard ist einer der Pressespre­cher*innen des »Rheinmetal­l entwaffnen«-Camps und Anmelder der Großdemons­tration am Sonntag. Zum Protestmar­sch um 13 Uhr am Hauptbahnh­of Unterlüß werden rund 500 Teilnehmer*innen erwartet. Über 70 Organisati­onen unterstütz­en den Aufruf, darunter auch gewerkscha­ftliche Initiative­n. Mit Gerhard sprach Sebastian Bähr.

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