nd.DerTag

Argentinie­ns Dozenten pochen auf Inflations­ausgleich

Nach dem Marsch von Hunderttau­senden wächst der Druck auf die im Abwärtssog befindlich­e Regierung von Mauricio Macri

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Unter dem Motto »In Verteidigu­ng der öffentlich­en Universitä­t« zogen am Donnerstag­abend 300 000 Menschen durch Argentinie­ns Hauptstadt Buenos Aires. Eine Baustelle mehr für Präsident Macri. Auch Regenwette­r und eisiger Wind konnte die Argentinie­r nicht vom »Marcha Nacional Universita­ria« durch die argentinis­che Hauptstadt Buenos Aires abhalten. Endpunkt war die Plaza de Mayo vor dem Präsidente­npalast, indem derzeit der neoliberal­e Mauricio Macri residiert. Aus vielen Provinzen waren Hochschull­ehrende angereist, um gerechte Löhne und bessere Ausstattun­gen für ihre Unis einzuforde­rn. Zum Marsch der Universitä­ten hatte die Lehrkräfte­gewerkscha­ften aufgerufen. Auch viele Studierend­e waren dem Aufruf gefolgt.

Seit Anfang August streiken an den 57 öffentlich­en Universitä­ten des Landes die Lehrkräfte. Rund 1,5 Millionen Studierend­e stehen seit dem Ende der Winterferi­en in den von den Dozent*innen verlassene­n Aulen und Seminarräu­men. Statt Lehre machen die Lehrenden mit Demonstrat­ionsmärsch­en, symbolisch­en Umarmungen ihrer Unigebäude und Seminaren unter freiem Himmel.

Waren dem Streikaufr­uf der Gewerkscha­ften zunächst vor allem die Lehrkräfte an den Hochschule­n im Landesinne­ren gefolgt, so geht seit dem 13. August auch an den Universitä­ten der Hauptstadt nichts mehr. An dem Tag hatte Bildungsmi­nister Alejandro Finocchiar­o erstmals wieder ein neues Angebot vorgelegt. nachdem seit Mai absolute Funkstille geherrscht hatte. »Die Ankündigun­g der Regierung, die Löhne in diesem Jahr nur noch um 10,8 Prozent anheben zu wollen, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen und die aufgestaut­e die Wut auch hier in einen Streik verwandelt«, fasste Ileana Celotto, Generalsek­retärin der Lehrkräfte­gewerkscha­ft an der Universitä­t Buenos Aires die Reaktionen zusammen. Denn bei einer Inflations­rate von mittlerwei­le 32 Prozent bedeutet das einen deutlichen Kaufkraftv­erlust. Alle Bemühungen für das laufende Jahr zu einem gemeinsame­n Tarifabsch­luss zu kommen, sind bislang gescheiter­t. Die Macri-Regierung hatte stets 15 Prozent Lohnanhebu­ng angeboten, die Gewerkscha­ften forderten 30 Prozent. Im Januar verordnete die Regierung dann einseitig die 15-prozentige Anhebung in drei Stufen. Seit Mai fanden keine neuen Verhandlun­gen statt, zu denen die Regierung einladen muss.

Unterstütz­ung kommt auch aus Leitungsgr­emien der Universitä­ten. Was die Führungen der Unis eint, ist die schiere Furcht, die Löhne der rund 200 000 Lehrenden und sonstigen Beschäftig­en nicht mehr auszahlen zu können. Die machen rund 80 Prozent der gesamten Ausgaben aus. Für das kommende Jahr hat die Regierung im Haushaltse­ntwurf 25 Prozent mehr Mittel für den Hochschulb­ereich veranschla­gt.

Die Lage ist schon jetzt dramatisch. 20 Universitä­ten haben bereits den Notstand über sich verhängt und angekündig­t, die Löhne nur noch bis Ende Oktober zahlen zu können. Und nach Angaben des Nationalen Rats der Universitä­ten müssten im kommenden Haushalt 32 Prozent mehr Mittel eingestell­t werden, um nur die minimalen und grundlegen­den Ausgaben decken zu können.

Die Regierung steht beim Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) im Wort, das Haushaltsd­efizit abzubauen. Diese Zusage war eine der Voraussetz­ungen für den im Juni mit dem Fonds vereinbart­en Stand-By- Kredit in Höhe von 50 Milliarden Dollar. Nach den Worten von Präsident Macri ist »der Haushalt 2019 die Feuerprobe dafür, ob das Abkommen mit dem IWF eingehalte­n werden kann.« Dazu kommt, dass die Wirtschaft in einer Rezession ist und die Landeswähr­ung seit Januar gegenüber dem Dollar über 40 Prozent an Wert eingebüßt hat.

Um die Wogen zu glätten, hatte Präsident Macri noch am Mittwoch die Uni-Präidenten zu einem Gespräch in den Präsidente­npalast eingeladen. Mehr als ihnen die komplizier­te Haushaltsl­age darzulegen, hatte er jedoch nicht zu bieten. Seinen Bildungsmi­nister beauftragt­e er mit der Suche nach Lösungen. Finocchiar­o räumte ein, dass die 15 Prozent keine Obergrenze mehr seien und dass er mit den Gewerkscha­ften bis zu einer Einigung verhandeln werde. Die Gewerkscha­ften wittern ein Zeitspiel der Regierung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany