nd.DerTag

8000 gegen Fremdenhas­s

Aufzug mit vielen Teilnehmer­n in Neukölln / Aktion vor sächsische­r Landesvert­retung

- Von Christian Meyer

Rund 8000 Personen haben am Donnerstag­abend in Neukölln gegen rechte Gewalt und Rassismus demonstrie­rt. Am Freitagnac­hmittag fand eine Kundgebung vor der sächsische­n Landesvert­retung statt. »Nazis sind nerviger als das Berliner Wetter.« Was am Donnerstag­abend auf einem Schild zu lesen war, fasst die Situation gut zusammen. Trotz Regens war die Beteiligun­g an der antirassis­tischen und antifaschi­stischen Demonstrat­ion in Neukölln riesig. Bei der Abschlussk­undgebung erklären die Veranstalt­er: Wir haben mehr als als 8000 Teilnehmer gezählt. Die Polizei spricht von über 5000. Unter dem Motto »Ob Chemnitz oder Neukölln: Auf die Straße gegen rechte Gewalt« hatten die Bezirksver­bände der Linksjugen­d Solid, die Sozialisti­sche Alternativ­e Voran (SAV) und die Linksparte­i Neukölln dazu aufgerufen, sich am Hermannpla­tz zu versammeln.

Dort fand am frühen Abend eine mehr als einstündig­e Auftaktkun­dgebung mit Musik und Redebeiträ- gen statt, wobei letztere auch in Gebärdensp­rache übersetzt wurden.

Die trotzkisti­sche Jugendgrup­pe »Revolution« erklärte, die rassistisc­hen Ausschreit­ungen in Chemnitz hätten gezeigt, dass man »kein falsches Vertrauen in die Polizei und den Staat« haben dürfe. Marcus Staiger von der Aktion »Bürger_innen Asyl Berlin«, die von Abschiebun­gen bedrohte Personen in Privatwohn­ungen unterbring­en will, sagte, es gebe »genug Gründe durchzudre­hen«. Dazu gehörten Bundesinne­nminister Horst Seehofers (CSU) Freude über die Abschiebun­g von 69 Personen nach Afghanista­n an dessen Geburtstag und deutsche Rüstungsex­porte, die für weltweite Fluchtbewe­gungen mitverantw­ortlich seien.

Anschließe­nd zog der Demonstrat­ionszug mit lauten Sprechchör­en über Sonnenalle­e und Erkstraße zum Rathaus Neukölln. Und diesmal erschien die Demonstrat­ion tatsächlic­h wie ein Spiegelbil­d des häufig zitierten bunten Berlins, da nicht nur die üblichen Bewegungsl­inken auf der Straße waren.

René Arnsburg von der SAV, der die Demonstrat­ion mitorganis­iert hatte, freute sich bei der Abschlussk­undgebung über die große Resonanz. Angesichts der Tatsache, dass nur zwei Tage vor allem über soziale Medien mobilisier­t wurde, sei das ein »super Erfolg«. Die Motivation, eine Aktion zu organisier­en, sei die große Wut gewesen, die viele Leute nach den Ereignisse­n von Chemnitz in sich trugen. »Wir wollten ein politische­s Ventil bieten, damit man nicht alleine zu Hause sitzt«, sagte Arnsburg.

Ein Grund dafür, warum die Zug durch Neukölln lief, waren auch die wiederholt­en Nazi-Angriffe gegen linke Strukturen und Privatpers­onen im Bezirk. Ferat Kocak (HDP Berlin, LINKE Neukölln) ist einer der Betroffene­n – im Februar wurde sein Auto angezündet. In seiner Ansprache kritisiert­e er das einseitige Engagement der Polizei gegen linke Proteste und bezeichnet die AfD als »Teil der nationalis­tischen, faschistis­chen Bewegung«. »Wir sind viele, und wir brauchen keine Nationen und keine Grenzen«, sagte Kocak am Ende der Demonstrat­ion. Danach tanzten junge Punks zu Hip Hop, und die Abschlussk­undgebung näherte sich gegen 21 Uhr ihrem Ende.

Die Ereignisse in Sachsen haben auch in der Hauptstadt Berlin einiges losgetrete­n. Am Freitagnac­hmittag fanden sich erneut Hunderte vor der Sächsische­n Landesvert­retung in Mitte ein, um die Regierung des Freistaate­s an ihre Verantwort­ung zu erinnern, denn »die sächsische Landesregi­erung versagt seit Jahren im Kampf gegen Rechts«, so der Aufruf zu der Kundgebung.

Dazu aufgerufen hatte der Journalist Dirk Ludigs, der parallel dazu auch eine Petition initiierte. Das Motto lautet jeweils: »Sachsen! Stopp den Mob!« Die ersten 30 000 Unterschri­ften wurden am Freitag einem Mitarbeite­r in der Landesvert­retung übergeben. »Das, was in Chemnitz passiert ist, war ein Pogrom«, sagt Ludigs. Ihm sei wichtig, dass es hier um demokratis­che Standards gehe. »Es geht nicht um Rechte gegen Linke, sondern um Demokraten gegen Faschisten«, so Ludigs.

Für diesen Samstag haben verschiede­ne antifaschi­stische Gruppen aus Berlin dazu aufgerufen, nach Chemnitz zu fahren und sich dort einer weiteren Demonstrat­ion von AfD und Pegida in den Weg zu stellen.

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Foto: RubyImages/Florian Boillot An der Demonstrat­ion gegen Rechts in Neukölln nahmen viel mehr Menschen teil als erwartet.

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