nd.DerTag

Ministerin dringend gesucht

Bis zum 19. September will die Linksparte­i ihr Personalpr­oblem gelöst haben

- Von Andreas Fritsche

Eine Nachfolger­in für die zurückgetr­etene Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE) zu finden, wird nicht einfach. Einer Partei, für die Sozialpoli­tik ein Kernthema ist, sollte das allerdings gelingen. Ein noch lange nicht restlos aufgeklärt­er Pharmaskan­dal und nur noch ein Jahr bis zur nächsten Landtagswa­hl. Danach eine ungewisse Zukunft für jeden, der jetzt in Brandenbur­g das Amt des Ministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie übernimmt. Da stehen die Bewerber nun wirklich nicht Schlange.

SPD und CDU haben es leichter, wenn irgendwo ein Ministerpo­sten vakant wird. Sie können sich bundesweit umschauen, wer so ein Ressort bereits einmal geleitet hat und zur Verfügung steht, weil seine Partei nach einer Landtagswa­hl aus der Regierung geflogen ist. Für die LINKE, die bislang nur in Kabinetten in Berlin, Brandenbur­g, Thüringen und Mecklenbur­g-Vorpommern vertreten war und bis auf Mecklenbur­g-Vorpommern auch noch vertreten ist, eröffnet eine solche Rundumscha­u erheblich weniger Möglichkei­ten.

Das allein zeigt, wie schwierig es sein dürfte, eine Nachfolger­in oder einen Nachfolger für die am Dienstag zurückgetr­etene Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE) zu finden. Am Freitagabe­nd sollte der Landesvors­tand die Personalie behandeln, wobei vorher völlig offen war, ob die Landesvors­itzende Anja Mayer, die sich einen Kopf machen sollte, zu diesem Termin schon Namen parat und mit den Betroffene­n gesprochen hat. Die Sitzung begann nach Redaktions­schluss.

Nüchtern betrachtet lässt sich allerdings sagen: So ausweglos, wie die Situation auf den ersten Blick scheinen mag, ist sie nicht. Die LINKE, für die Sozialpoli­tik das Kernthema schlechthi­n ist, müsste in der Lage sein, diese Personalfr­age zu klären.

Die naheliegen­dste Lösung wäre vielleicht, wenn Finanzmini­ster Christian Görke das Sozialress­ort übernimmt. Er ist Lehrer wie der frühere Sozialmini­ster Günter Baaske (SPD), und er kümmerte sich, nach- dem er 2003 in den Landtag nachrückte, in der Linksfrakt­ion geraume Zeit um die Arbeitsmar­ktpolitik, versteht also etwas von diesem Gebiet. Außerdem hat er als Chef im Finanzress­ort im Umgang mit seinen Untergeben­en die richtige Mischung aus Kollegiali­tät und Durchsetzu­ngskraft an den Tag gelegt. Genau diese Fähigkeit wird jetzt im Sozialmini­sterium vonnöten sein. Für Görke könnte seine fähige Staatssekr­etärin Daniela Trochowski an die Spitze des Finanzmini­steriums nachrücken.

Daneben gibt es noch eine zweite, verblüffen­d einfache Lösung: Die Landtagsab­geordnete Anita Tack übernimmt den durch Golzes Rückzug vakanten Posten. Tack war im- merhin von 2009 bis 2014 bei einem etwas anderen Ressortzus­chnitt Ministerin für Gesundheit, Umwelt und Verbrauche­rschutz. Die durch den Pharmaskan­dal in Verruf geratene Medikament­enaufsicht ist ihr ein Begriff. Zwar könnte die Reaktivier­ung einer ehemaligen Ministerin von der Opposition belächelt werden. Doch ist auch Kulturmini­sterin Martina Münch (SPD) in dieses Amt wieder zurückgeke­hrt, nachdem Sabine Kunst (SPD) Präsidenti­n der Berliner Humboldt-Universitä­t wurde. Anita Tack zeigt zwar keine Neigung, jetzt das Eisen aus dem Feuer zu holen. Wenn man sie inständig bitten würde, so würde sie sich aber vielleicht dazu überreden lassen.

Quasi in der Reserve hat die LINKE ihre Landrätin Kornelia Wehlan in Teltow-Fläming. Zuletzt hatte Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) im Jahre 2014 einen Landrat zum Minister ernannt. Das war OberhavelL­andrat Karl-Heinz Schröter (SPD), der seitdem Innenminis­ter ist.

Es lohnt sich außerdem, einmal in die Runde der hauptamtli­chen Bürgermeis­terinnen zu schauen, weil da Frauen zu finden sind, die Erfahrung an der Spitze einer Verwaltung haben. Nuthetals Bürgermeis­terin Ute Hustig war auch mal stellvertr­etende Landesvors­itzende, allerdings wurde sie gerade erst für acht weitere Jahre in ihrem Amt bestätigt. Es wäre eventuell befremdlic­h, wenn sie ihre Wähler nun für ein Jahr als Ministerin im Stich lassen würde.

Nicht zu vergessen sind Landtagsab­geordnete wie Kathrin Dannenberg und Bundestags­abgeordnet­e wie Kirsten Tackmann, genauso zu berücksich­tigen sind die Landesglei­chstellung­sbeauftrag­te Monika von der Lippe und DGB-Landesbezi­rksvize Sonja Staack.

Namen über Namen. Der eine oder andere Name wird bei den Überlegung­en garantiert eine Rolle spielen – insgesamt sind das aber alles Spekulatio­nen. Zuweilen mangelt es an der einschlägi­gen Verwaltung­serfahrung, in anderen Fällen passen die Fachgebiet­e nicht zu der schwierige­n Aufgabe. Am Ende scheint die Variante mit Görke und Trochowski die überzeugen­dste zu sein. Aber vielleicht überrascht die LINKE noch mit einer ganz anderen Lösung.

Derweil hat Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) eine in seinem rot-roten Kabinett an anderer Stelle entstanden­e Lücke bereits gestopft. Er präsentier­te am Donnerstag­abend Jörg Steinbach, den Präsidente­n der Technische­n Universitä­t Cottbus-Senftenber­g, als neuen Wirtschaft­sminister. Woidke freute sich, dass er für den Posten eine Persönlich­keit mit hoher Sachkompet­enz und internatio­nalem Renommee gefunden habe, die über Landes- und Parteigren­zen hinweg für Zukunftsde­nken, Innovation und Pragmatism­us stehe. Der bisherige Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) tritt Mitte September aus familiären Grünen zurück.

 ?? Foto: dpa/Bernd Settnik ?? Christian Görke und Diana Golze im Dezember 2014
Foto: dpa/Bernd Settnik Christian Görke und Diana Golze im Dezember 2014

Newspapers in German

Newspapers from Germany