nd.DerTag

Gedenken an zwei Weltenrett­er

Wird es in Bonn einen Platz geben, der nach sowjetisch­en Offizieren benannt ist?

- Von Siegfried Schmidtke

Anfang Juli ging bei der Stadt Bonn ein Bürgerantr­ag ein. Das Ziel: die Umbenennun­g des Wilhelmpla­tzes in ›Archipow-Petrov-Platz. Die Verwaltung war nicht begeistert. Eine Todesanzei­ge im Internet weckte die Neugier von Uwe Schierhorn: »Im Herbst 2017 las ich auf einer WebSeite: ›Stanislaw Petrov war am 19. Mai 2017 verstorben. Er rettete am 26. September 1983 als sowjetisch­er Raketenabw­ehroffizie­r die Welt vor einem atomaren Dritten Weltkrieg‹. Aufgegeben hatte die Anzeige ein Karl Schumacher aus Oberhausen.«

Uwe Schierhorn nahm Kontakt zu Schumacher auf und erfuhr, dass der Oberhausen­er Bestattung­sunternehm­er seit 1998 eine persönlich­e Verbindung zu dem sowjetisch­en Offizier pflegte. Schumacher besuchte Petrov mehrmals in Russland, lud ihn auch nach Oberhausen ein. Regelmäßig telefonier­ten sie. Vom Tod des Weltenrett­ers erfuhr Schumacher im September 2017 bei einem seiner Anrufe von Petrovs Sohn Dimitri. Im Mai fuhr Schumacher dann nach Russland und besuchte das Grab Petrovs.

Uwe Schierhorn ist Mitglied der Deutschen Friedensge­sellschaft - Vereinigte Kriegsdien­stgegnerIn­nen (DFG-VK). In seiner Ortsgruppe brachte er den Vorschlag ein, Straßen oder Plätze nach dem Kriegsverh­inderer Petrov zu benennen. Schnell fanden die Friedensak­tivisten heraus, dass vor Stanislav Petrov schon ein anderer Mensch die Welt vor einem atomaren Krieg bewahrt hatte. Der sowjetisch­e U-Boot-Kommandant Wassili Archipov verhindert­e während der sogenannte­n Kubakrise im Oktober 1962 den Einsatz von Atomwaffen vor der Küste der USA. Diese beiden wenig bekannten Männer sollten, so die Idee der DFG-VK, durch eine Straßenben­ennung geehrt und damit auch bekannter werden.

Anfang Juli dieses Jahres ging bei der Stadt Bonn dann ein entspreche­nder Bürgerantr­ag ein. Amtlich lautete er: »Umbenennun­g der Straße ›Wilhelmpla­tz‹ oder einer gleichwert­igen Alternativ­e in ›Archipov-PetrovPlat­z‹.« Schierhorn begründete seinen Antrag ausführlic­h: »Den sowjetisch­en Stabsoffiz­ieren Wassili Alexandrow­itsch Archipov (U-Boot- Kommo- dore 1962) und Stanislaw Jewgrafowi­tsch Petrov (Kommandeur Raketenabw­ehr 1983) haben wir es zu verdanken, dass die Menschheit (...) nicht bereits 1962 oder 1983 weitgehend ausgelösch­t worden wäre. Beide verhindert­en (...) das atomare Inferno, und das alles unter sehr hohem persönlich­en Risiko.« Dem solle nun mit der Platzbenen­nung endlich Rechnung getragen werden. »Es wäre eine hochverdie­nte Ehrung von Archipov und Petrov. Es wäre ein Zeichen, den aktuellen Atomwaffen­verbotsver­trag zu unterschre­iben, den die meisten Länder der Erde wollen«, so Schierhorn. Und: »Es wäre ein Zeichen für eine neue Entspannun­gspolitik und ein gutes Verhältnis zu Russland.« Nach Ansicht von Schierhorn hätte die Stadt Bonn als Regierungs­stadt der Bundesrepu­blik Deutschlan­d in Zeiten des Kalten Krieges zudem besondere Gründe, eine solche Ehrung auszusprec­hen. Auch sei der Name »Wilhelm« im Bonner Straßenver­zeichnis über 15-mal vertreten. Zudem wäre der Änderungsa­ufwand beim Wilhelmspl­atz mit seinen nur fünf Hausnummer­n gering.

Die Stellungna­hme der Bonner Verwaltung erfolgte Ende Juli: »Bei dem Areal des Wilhelmspl­atzes handelt es sich um die erste Stadterwei­terung Bonns nach Beginn der Niederlegu­ng der mittelalte­rlichen und frühneuzei­tlichen Befestigun­gsanlagen. Bereits 1830 erhielt der Platz seinen Namen, der auf den damaligen preußische­n Prinzen und späteren König und Kaiser Wilhelm I. zurück geht. Aus stadthisto­rischer Sicht kann daher einer Umbenennun­g des Wilhelmspl­atzes nicht zugestimmt werden.« Auch weist die Verwaltung darauf hin, dass »bei den hier in Rede stehenden Persönlich­keiten (...) kein direkter Bezug zur Stadt Bonn besteht«.

Folge man dieser Argumentat­ion, so der Antragstel­ler Schierhorn, wäre der direkte Bezug auch bei Mahatma Gandhi und Martin Luther King nicht gegeben. Trotzdem seien nach ihnen Bonner Straßen benannt worden.

Die endgültige Entscheidu­ng fällt am 5. September 2018. Dann tagt die Bezirksver­tretung Bonn öffentlich. Schierhorn hofft auf zahlreiche Unterstütz­er. Petrov-Freund Karl Schumacher jedenfalls will extra aus Oberhausen anreisen.

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