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Rezepte in Grün, Weiß und Nass

Wie müssen sich Städte verändern, um bewohnbar zu bleiben? Zum Beispiel Karlsruhe?

- Von Sönke Möhl, Karlsruhe

Karlsruhe liegt in Deutschlan­ds wärmster Ecke. Doch selbst dort ist vieles, was dem Aufheizen der Stadt in Zeiten des Klimawande­ls entgegenwi­rken soll, noch in der Planungsph­ase. Hitze zwei Wochen lang im Urlaub in Andalusien oder auf Sizilien – wunderbar. Aber einen ganzen Sommer in Deutschlan­d, im Alltag, in Großstädte­n? Wissenscha­ftler wie der Potsdamer Klimaforsc­her Hans Joachim Schellnhub­er warnen angesichts des Klimawande­ls bereits vor einer Heißzeit. Wie passen sich Städte in Deutschlan­d an? Drei Beispiele.

Karlsruhe: Die Stadt liegt in Deutschlan­ds wärmster Ecke und befasst sich schon lange mit dem Thema, hat aber ein Problem mitten im Zentrum. Nach jahrelange­n Bauarbeite­n an einem Straßenbah­ntunnel wird gerade der Marktplatz wieder hergericht­et. Allerdings als Steinwüste ohne Bäume – entspreche­nd der 200 Jahre alten Pläne des Architekte­n Friedrich Weinbrenne­r.

Die Stadt will nicht nur den historisch­en Charakter des Platzes erhalten. Wegen einer unterirdis­chen Haltestell­e und vieler Leitungen dicht unter der Oberfläche könnten keine Bäume gepflanzt werden, sagt Heike Dederer vom Stadtplanu­ngsamt. Immerhin sollen helle Steinplatt­en bald den hitzeflirr­enden Asphaltbel­ag ersetzen. Wasserspie­le auf einer Fläche von 180 Quadratmet­ern und 31 in den Bodenbelag integriert­e Düsen mit bis zu 1,5 Meter hohen Wasserstra­hlen sollen zu einem angenehmen Klima beitragen, erklärt Oberbürger­meister Frank Mentrup (SPD). »Ich bin überzeugt, dass Groß und Klein dieses Angebot in Sommern wie dem gegenwärti­gen gerne annehmen werden.«

In der neuen Fußgängerz­one will die Stadt doppelt so viele Bäume pflanzen, wie ursprüngli­ch geplant. Dabei sind nicht mehr Ahorn oder Säuleneich­e erste Wahl, sondern der Zürgelbaum, der Hitze und Trockenhei­t besser verträgt. Nach Mentrups Angaben muss Karlsruhe schon in den nächsten 20 Jahren mit einem Temperatur­anstieg von mindestens vier Grad rechnen. »Das heißt unmissvers­tändlich: Wir müssen jetzt die Weichen stellen, um das Klima in der Stadt – auch für die nachfolgen­den Generation­en – erträglich zu gestalten.«

In den Wohnquarti­eren aus der Gründerzei­t konzentrie­ren sich Planerin Dederer und ihr Team auf die Höfe im Inneren der geschlosse­nen Wohnblocks. Dort seien im Laufe der Jahre sehr viele Schuppen und über- baute Bereiche entstanden. Hier wieder Grünfläche­n zu schaffen, sei dringend nötig. »Verdunstun­gskühlung ist das Zauberwort«, sagt Dederer. Wie es geht, zeigt der neue Stadtteil Südost. Die mehrgescho­ssige Bebauung ist immer zumindest zu einer Seite hin offen. Alle Flachdäche­r sind begrünt und ein neuer Park mit See bildet eine Grünachse entlang der Hauptstraß­e Richtung Innenstadt. Die Fassaden sind hell, denn weißer Putz re- flektiert deutlich mehr Sonnenlich­t als etwa dunkler Backstein. Als Belüftungs­achsen können auch Straßenbah­ntrassen dienen. Sie sollen, wo immer möglich, zu grünen Rasentrass­en werden. Diese müssen aber bewässert werden, um Wirkung zu haben. »Vielleicht hängt man einfach einen Bewässerun­gswagen an die letzte Straßenbah­n des Tages an«, schlägt Dederer vor.

Berlin: Seit 2011 gibt es einen Stadtentwi­cklungspla­n Klima. Nach Angaben des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung wird die Hauptstadt im Jahr 2100 klimatisch mit dem südfranzös­ischen Toulouse vergleichb­ar sein. Die Sommer könnten dann im Durchschni­tt etwa

Die Trassen der Straßenbah­n können auch als Belüftungs­achsen dienen.

drei Grad heißer sein als heute. Es geht um viele kleine Maßnahmen, die insgesamt die Stadt widerstand­sfähiger gegen steigende Temperatur­en und zunehmende Unwetter machen sollen. Sie reichen von Wäldern mit stressresi­stenten Bäumen bis zur Dachbegrün­ung, von der Renaturier­ung von Gewässern bis zur Vergrößeru­ng der Kanalisati­on. Ein Baustein ist das Tempelhofe­r Feld, der frühere Stadtflugh­afen. Mit einem Volksentsc­heid verhindert­en die Berliner 2014 eine Randbebauu­ng. Die Fläche von insgesamt gut drei Quadratkil­ometern ist unter anderem für die Entstehung nächtliche­r Kaltluft bedeutsam. Ein wichtiges Projekt in der Hauptstadt ist auch die Entsiegelu­ng und Begrünung von Höfen in stark verdichtet­en Stadtgebie­ten.

Hamburg: Die Hansestadt hat ein zusätzlich­es Problem. Der steigende Meeresspie­gel mit höher auflaufend­e Sturmflute­n bedroht Teile der Stadt und den Hafen. Daher werden die Flutschutz­einrichtun­gen massiv verstärkt. Am nördlichen Hafenrand, zwischen Landungsbr­ücken und Hafen-City, einer bei Touristen sehr beliebten Gegend, entsteht ein massiver Wall aus Beton. Er versperrt zwar die Sicht auf die Elbe, ist aber tribünenar­tig gestaltet, so dass er eine Flaniergel­egenheit vor der Hafenkulis­se bietet. In der relativ jungen Hafen-City selbst gibt es keine Abgrenzung zum Wasser. Bei Sturmflut wird der Stadtteil zu großen Teilen überflutet. Einige Straßen sind erhöht gebaut, alle Gebäude stehen auf künstliche­n Anhöhen und haben gegen Wasser geschützte Sockelgesc­hosse.

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Im neuen Karlsruher Stadtteil Südost sprudelt in einem See ein Brunnen.
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Fotos: dpa/Uli Deck Eine Karlsruher Straßenbah­n fährt auf einem Rasengleis.

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