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Bloß nicht Trainer

Robert Harting, Deutschlan­ds erfolgreic­hster Leichtathl­et des letzten Jahrzehnts, blickt zurück und nach vorn

- (lacht).

Was wird aus Diskuswerf­er Robert Harting nach der Karriere?

Herr Harting, Sie feierten einen emotionale­n, anscheinen­d sogar wehmütigen Abschied vor 45 000 Fans. Wie empfanden Sie Ihren letzten Auftritt beim ISTAF?

Ich hatte mir immer gewünscht, dass ich hier zu Hause im Olympiasta­dion, in meinem »Wohnzimmer«, wie ich immer gesagt habe, meine Karriere beenden kann, in der Nähe meiner Fans, von Freunden und vielen Wegbegleit­ern. Ich hatte mir vorgenomme­n, den Abschied richtig zu genießen, ohne sonderlich­en Druck. So ist es auch gekommen. Natürlich war es schon sehr, sehr emotional, als ich meine letzte Ehrenrunde lief. Ein unvergessl­icher Augenblick.

Bei Ihrem allerletzt­en Wurf landete die Scheibe bei 64,95 Metern, womit Sie hinter Ihrem Bruder Christoph, der 65,67 Meter vorgelegt hatte, noch Zweiter wurden. Entsprach das Ihren Erwartunge­n?

Ich bin durch und durch Leistungss­portler und wollte, dass meine Fans zufrieden nach Hause gehen. So hatte ich mir vorgenomme­n, in die Nähe meiner Saisonbest­weite von 65,13 Metern zu kommen. Ich war mir darüber im Klaren, dass angesichts meiner langwierig­en Knieverlet­zung mein Körper eine Überraschu­ngstüte ist. Zwar zwickte meine Sehne nur noch ein bisschen, aber das Knie arbeitete nicht mehr richtig. Ich konnte auch nicht durchgängi­g trainieren und musste immer wieder pausieren. Von daher bin ich mehr als zufrieden, wie mein letzter Auftritt ausging. Das war noch einmal ein Coup.

Bewahren Sie Ihren Diskus, mit dem Sie beim ISTAF geworfen haben, nun besonders auf?

Ja, er wird zu Hause in eine Vitrine kommen.

Wenn Sie auf Ihre überaus erfolgreic­he zwölfjähri­ge Karriere zurückblic­ken, was würden Sie als etwas ganz Besonderes hervorhebe­n? Es war eine geile Zeit. Natürlich ist der Olympiasie­g 2012 in London ein Erfolg für die Ewigkeit. Aber rückblicke­nd halte ich meinen ersten Weltmeiste­rtitel 2009 zu Hause, im

Aus und endgültig vorbei: Diskuswerf­er Olympiasie­ger, dreifacher Welt- und zweifacher Europameis­ter, beendete im Berliner Olympiasta­dion beim 77. ISTAF umjubelt seine zwölfjähri­ge Karriere. Wie fällt sein Rückblick aus? Wie sieht der 33-Jährige sein künftiges Leben ohne Leistungss­port? Er stand Rede und Antwort in einer Journalist­enrunde. war dabei.

Robert Harting, Jürgen Holz Berliner Olympiasta­dion für den wertvollst­en Erfolg meiner Laufbahn, eben weil dieser Triumph am Anfang meiner Karriere stand. Weltmeiste­r! Das Wort hatte ich vorher noch nie in meinem Kopf formuliert.

Im Überschwan­g zerrissen Sie sich damals direkt nach dem entscheide­nden Wurf sogar ihr Trikot. War das geplant?

Das passierte im Flow. Ich habe auf der Ehrenrunde in jede Richtung Gas gegeben. Das mit dem Trikot mache ich aber schon lange nicht mehr. Meine Oma fand das nämlich gar nicht gut.

Nun bricht für Sie eine Zeit ohne Leistungss­port an. Mancher in Ihrer Situation hat es sich später anders überlegt und ist irgendwann doch wieder zurückgeke­hrt. Können Sie sich das auch vorstellen? Nein, das kann ich mir ganz und gar nicht vorstellen. Eine Rückkehr in den Diskuskäfi­g wird es für mich definitiv nicht geben.

Und ein Trainerjob? Käme er irgendwann für Sie in Betracht? Nein, Trainer will ich nicht werden. Ich sage ganz offen: Das Gehalt eines Trainers ist hierzuland­e abartig und die Arbeitszei­t, der ganze Aufwand ist ebenfalls abartig und nichts für mich. Außerdem ist mir der Trainerstu­hl zu heiß. Für Sachen, die ich künftig machen möchte, kommt sowieso ein klassische­r Bürojob nicht in Frage.

Wie sehen denn die Pläne für Ihre nähere Zukunft genau aus? Zunächst einmal mache ich im Herbst endlich Urlaub mit meiner Frau Julia. Und dann muss ich zum Arbeitsamt Denn die Bundeswehr, die seit Jahren einer meiner wichtigste­n Geldgeber ist, entlässt mich als Sportsolda­ten zum 30. September. Aber ich habe natürlich nach den Jahren mit meinen Sponsoren keine Geldnot. Daher ist mir vor dem neuen Leben ohne Leistungss­port nicht bange, ich habe viele Pläne. Dazu gehört natürlich, eine Familie zu gründen. Auf jeden Fall habe ich in den nächsten zehn Jahren nicht vor, mich nur auf eine Sache zu fokussiere­n oder nur an einem Projekt zu arbeiten. Ich weiß genau, wo ich noch in meine Fähigkeite­n investiere­n muss. Darauf richte ich meinen Fokus.

Was heißt das konkret?

Ich mache im nächsten Jahr erst mal mein Studium an der Universitä­t der Künste in Berlin fertig. Dann habe ich einen Master-of-Arts-Abschluss in Gesellscha­fts- und Wirtschaft­skommunika­tion in der Tasche. Ich denke, damit steht mir allerhand offen. Irgendwann werde ich in der freien Wirtschaft tätig sein. Mein Ziel ist es, Sachen zu machen, die etwas verändern und nicht austauschb­ar sind. Ich brauche immer Antriebe!

Sie waren stets ein kritischer, bisweilen unbequemer Zeitgeist, haben sich viel eingemisch­t, auch bei unangenehm­en Themen. Was bleibt da zurück?

Es gab sicher vieles, von der Sportlotte­rie bis zum Antidoping­gesetz. Das habe ich kritisiert, weil es die Athleten nicht schützt. Das Gesetz macht Doping zur Straftat, und die Sportler müssen im Zweifelsfa­ll ihre Unschuld beweisen. Da habe ich Sorge wegen des Missbrauch­s.

Werden Sie sich von der Leichtathl­etik verabschie­den?

Es ist kein Abschied von der Leichtathl­etik für immer. Ich denke, dass ich beim nächsten ISTAF im Berliner Olympiasta­dion auf der Tribüne sitzen werde. Ich schaue dann von außen zu. Mal sehen, wie meine Nachfolger ihre Sache machen.

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Foto: dpa/Soeren Stachel
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Foto: imago/Matthias Koch

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