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Junge Alternativ­e unter Beobachtun­g

Geheimdien­st nimmt Jugendverb­and der AfD ins Visier

- Von Hagen Jung

Berlin. Der niedersäch­sische und der Bremer Verfassung­sschutz nehmen die Nachwuchso­rganisatio­n der rechten AfD ins Visier. »Den entspreche­nden Antrag habe ich heute früh unterschri­eben«, sagte Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) am Montag. Der Bremer Senat teilte am Montag mit, die Junge Alternativ­e (JA) werde seit der vergangene­n Woche beobachtet. Die Bundesregi­erung bleibt bei ihrer skeptische­n Haltung gegenüber Forderunge­n nach einer Beobachtun­g der AfD durch den Verfassung­sschutz. Derzeit lägen die Voraussetz­ungen einer Beobachtun­g der Partei als Ganzes nicht vor, sagte ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums am Montag in Berlin.

Derweil wurden am Montagaben­d mehr als 20 000 Besucher beim Open-Air-Konzert gegen Rechts in Chemnitz erwartet. Die Stadt Chemnitz untersagte Demonstrat­ionen des ausländer- und islamfeind­lichen Bündnisses Thügida und der rechten Bewegung Pro Chemnitz als Gegenveran­staltungen zum Konzert.

Aus einem breiten Parteiensp­ektrum ist die Forderung zu hören, der Verfassung­sschutz solle die AfD beobachten. Sie agiere Hand in Hand mit Rechtsextr­emisten, wie es etwa in Chemnitz deutlich geworden sei. Es ist eine seltene Koalition, die sich angesichts der rechten Demonstrat­ionen und Krawalle in Chemnitz gebildet hat. Namhafte Politiker von CDU, SPD, FDP, Grünen und der LINKEN sind sich einig: Die AfD gehört in den Fokus des Verfassung­sschutzes. Eine Forderung, die in den jeweiligen Parteien umstritten ist und die vom obersten Chef des Inlandgehe­imdienstes zurückgewi­esen wird – von Innenminis­ter Horst Seehofer. Die Voraussetz­ungen für eine Beobachtun­g der AfD in ihrer Gesamtheit seien derzeit nicht gegeben, so der CSU-Politiker.

Ganz anders sieht das Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD). Die frühere Bundesfami­lienminist­erin sieht die AfD als »Teil der rechtsextr­emen Szene«. Sie müsse folglich von den Sicherheit­sbehörden beobachtet werden. Lorenz Caffier (CDU), Landesinne­nminister im Nordosten, werde als Sprecher der unionsgefü­hrten Innenminis­terien mit seinem niedersäch­sischen Kollegen Boris Pistorius (SPD) das weitere Vorgehen in puncto AfD abstimmen, sagte Schwesig gegenüber dem NDR. Im selben Sender betonte der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Patrick Sensburg, er sei schon seit geraumer Zeit der Meinung, dass die AfD vom Verfassung­sschutz überwacht werden müsse.

Dessen Einsatz sieht auch SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil begründet, zumal die AfD nun »jegliche Masken hat fallen lassen«. Hand in Hand sei sie mit gewaltbere­iten Neonazis und Hooligans kürzlich durch Chemnitz marschiert. Die AfD könne angesichts dessen keinesfall­s als bürgerlich­e Protestpar­tei bezeichnet werden.

FDP-Chef Christian Lindner warf »einigen Mandatsträ­gern« der AfD vor, »offen die liberale Ordnung« zu bekämpfen. Und darum müsse die AfD punktuell beobachtet werden, so Lindner in der »Rheinische­n Post«.

Beobachtun­g sei geboten, weil es eine zunehmende Radikalisi­erung bei der AfD gebe, mahnte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. In der LINKEN gehen die Meinungen dazu auseinande­r. Während Parteichef­in Katja Kipping das Mobilisier­en des Verfassung­sschutzes für angebracht hält, ist Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t dagegen. Sie rät stattdesse­n – wie übrigens auch einige Politiker von CDU und SPD – zur schärferen politische­n Auseinande­rsetzung mit der AfD.

In diesem Sinne hat auch der Innenexper­te der LINKEN in Mecklenbur­g-Vorpommern, Peter Ritter, auf das Beobachtun­gs-Plädoyer von Ministerpr­äsidentin Schwesig reagiert. »Was soll denn eine solche Beobachtun­g bringen?«, fragte er. Es sei doch bekannt, »dass in der AfD längst verfassung­s- und demokratie­gefährdend­e Positionen die Oberhand gewonnen haben«, so der Linkspolit­iker.

In Bremen und Niedersach­sen haben sich die Landesämte­r für Verfassung­sschutz inzwischen dazu entschiede­n, die Junge Alternativ­e (JA) zu beobachten. »Es handelt sich um eine verfassung­sfeindlich­e Organisati­on. Die Entscheidu­ng hat nichts mit den Ereignisse­n in Chemnitz zu tun«, sagte Boris Pistorius am Montag. Es gebe »ideologisc­he und personelle Überschnei­dungen nicht unerheblic­her Art« des AfD-Nachwuchse­s mit der Identitäre­n Bewegung. Diese werde seit 2014 beobachtet.

Nun sollen die AfD-Jugendorga­nisationen in den beiden norddeutsc­hen Ländern aufgelöst werden. Nach der entspreche­nden Ankündigun­g der Behörden kündigte der Bundesvors­itzende der Jungen Alternativ­e, Damian Lohr, am Montag einen außerorden­tlichen Bundeskong­ress mit der Auflösung als einzigem Tagesordnu­ngspunkt an. Dies habe der Bundesvors­tand beschlosse­n. Lohr machte seine eigene Zukunft davon abhängig, dass der Bundeskong­ress die Auflösung beschließt. Andernfall­s trete er zurück.

Doch nicht nur die Jugendorga­nisation präsentier­t sich in Niedersach­sen besonders radikal. Eine neue Initiative innerhalb der Landes-AfD, die sich »Pegasus« nennt, steht offensicht­lich für deutschnat­ionales Gedankengu­t. »Zukunft bewahren, Heimat bewahren, Werte leben«, hat sich die Initiative auf ihr Logo geschriebe­n, rund um einen Pferdekopf, auf Eichenlaub ruhend. Für ein »politische­s Oktoberfes­t« hatte »Pegasus« am 7. September den AfD-Rechtsauße­npolitiker Björn Höcke aus Thüringen als Gastredner eingeladen. Höcke soll abgesagt haben, ist zu hören, aber auch, der Landesvors­tand der Partei habe das Kommen des rechten Politikers verboten.

Ob »Pegasus« auch den sich bürgerlich gebenden Mitglieder­n in der niedersäch­sischen Führung der AfD gefährlich werden kann, wird sich zeigen. Landeschef­in Dana Guth soll jedenfalls ziemlich sauer gewesen sein, dass sie erst aus dem Internet von dem Fest erfahren habe.

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Foto: dpa/Uwe Anspach Der thüringisc­he AfD-Rechtsauße­npolitiker Björn Höcke vor Anhängern in Baden-Württember­g

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