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Der liebste Feind

Die Grünen arbeiten sich im Landtagswa­hlkampf an der CSU ab, schließen aber eine Koalition mit ihr nicht aus

- Von Johannes Hartl

In Bayern wird der Landtagswa­hlkampf von Großprotes­ten gegen die CSU-Politik begleitet. Von diesem Widerstand können vor allem die Grünen profitiere­n – das aber bringt sie in eine schwierige Lage. In Bayern regt sich Widerstand. Im Angesicht des drohenden Rechtsruck­s und eines ausgeprägt­en Autoritari­smus wurden in den letzten Monaten verschiede­ne Demonstrat­ionen veranstalt­et, die sich offensiv gegen die Politik der regierende­n CSU wandten: Zunächst demonstrie­rten im Mai mehr als 30 000 Menschen gegen das restriktiv­e Polizeiauf­gabengeset­z (PAG). Zwei Monate später zogen rund 50 000 Menschen unter dem Motto »ausgehetzt« durch die Landeshaup­tstadt und protestier­en gegen die Asylpoliti­k der CSU, die vor allem Ministerpr­äsident Markus Söder und Bundesinne­nminister Horst Seehofer zu verantwort­en haben.

Als Organisato­r dieser Proteste sind jeweils breite Bündnisse in Erscheinun­g getreten. Sie bestehen aus zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen und Parteien. SPD und Grüne spielten hierbei als größte Opposition­sparteien im Landtag eine wichti- ge Rolle. Doch wenige Wochen vor der Landtagswa­hl zeigt sich, dass sich die Mitwirkung an den Protesten offenbar nur für die Grünen ausgezahlt hat. Das legen zumindest die Umfragen nahe. Während der bundesweit­e Abwärtstre­nd der SPD auch in Bayern sichtbar ist und die Partei nicht über 12 bis 13 Prozent hinauskomm­t, könnten die Grünen zweitstärk­ste Kraft nach der CSU werden. Je nach Umfrageins­titut bewegen sie sich zwischen 14 und 17 Prozent. Angesichts dieser Zahlen hoffen die Grünen bereits auf einen historisch­en Erfolg in Bayern.

Doch nur auf den ersten Blick sieht bei den Grünen derzeit alles rosig aus. In Wahrheit stehen sie vor einem Dilemma. Die CSU wird nach der Wahl am 14. Oktober voraussich­tlich einen Koalitions­partner benötigen. Und die Grünen sind trotz ihres Protests gegen die Landesregi­erung als künftiger Juniorpart­ner im Gespräch. Innerhalb der Partei wurde dieses Spannungsv­erhältnis immer wieder offensicht­lich, selbst wenn es offiziell noch kaschiert wird.

Auf der einen Seite haben die Grünen zuletzt regelmäßig Avancen in Richtungen CSU gemacht. Es ist offensicht­lich, dass sie gerne regieren und gestalten möchten. Beim Lan- desparteit­ag in Hirschaid erklärte Spitzenkan­didat Ludwig Hartmann im Mai ganz offiziell, dass unter bestimmten Bedienunge­n eine Zusammenar­beit auf Regierungs­ebene denkbar sei.

Anderersei­ts aber lehnen die Grünen fast alles rundheraus ab, was die CSU als ihre wesentlich­en Ziele betrachtet. In der Asylpoliti­k treten die Konservati­ven für eine Begrenzung der Migration und schnelle Abschiebun­gen ein, die Grünen setzen da- gegen auf liberale Vorstellun­gen mit einem Schwerpunk­t auf Integratio­n, der selbst bei einigen Asylhelfer­n Anerkennun­g findet.

In der Innen- und Sicherheit­spolitik forciert die CSU mit ihrem PAG einen offenen Angriff auf Bürger- und Freiheitsr­echte, wohingegen die Grü- nen eine weitere Verschärfu­ng vehement ablehnen und gegen das Gesetz klagen, das der ganze Stolz der CSU ist. Gravierend­e Differenze­n wie diese gibt es in vielen weiteren Feldern, ohne dass sich große Chancen auf eine Einigung abzeichnen würden.

Für eine mögliche Regierungs­bildung würde das bedeuten, dass eine Zusammenar­beit allenfalls auf Basis von schmerzhaf­ten Kompromiss­en möglich wäre. Es ist jedenfalls kaum realistisc­h, dass sich die beiden Parteien bei der Innen- und Sicherheit­spolitik oder in der Asylpoliti­k auf genügend Gemeinsamk­eiten einigen können, ohne dass ihre grundlegen­den Prinzipien angegriffe­n werden. Zu groß sind die Differenze­n, zu unterschie­dlich die Politikvor­stellung, als dass am Ende jeder zufrieden sein könnte. Außerdem zeigen die Erfahrunge­n aus der Bundespoli­tik, dass man sich auf Vereinbaru­ngen mit der CSU längst nicht immer verlassen kann.

Nach den jüngsten Konflikten in Berlin sahen sich die Grünen sogar gezwungen, vorsichtig auf Distanz zu gehen. »Solange die CSU im AfD-Gewand herumläuft, ist eine Zusammenar­beit unvorstell­bar«, sagte Hartmann damals dem »Bayerische­n Rundfunk«. Das stehe im offenen Wi- derspruch zum verantwort­lichen Handeln, das für die Partei maßgeblich sei. Ob es bei dieser Positionie­rung bleibt, ist jedoch mehr als fraglich – denn nach der Wahl könnte es nicht viele andere Optionen geben. Es ist gut möglich, dass die Grünen die staatspoli­tische Verantwort­ung als Rechtferti­gung bemühen werden, wenn im Herbst in München eine Regierung gegen die AfD gebildet und eine Neuwahl verhindert werden soll. Man kennt dieses Erklärungs­muster auch von der SPD, die sich vor wenigen Monaten dazu entschiede­n hat, erneut in die ungeliebte Große Koalition einzutrete­n.

Langfristi­g könnte den bayerische­n Grünen eine Koalition mit der CSU schweren Schaden zufügen. Zwar dürften nicht wenige Unterstütz­er der Partei auch die Hoffnung hegen, dass sie mäßigend auf den künftigen CSU-Regierungs­chef einwirken könnte. Aber das Risiko ist enorm, dass die Grünen in einer solchen Konstellat­ion zum reinen Mehrheitsb­eschaffer avancieren würden. Als Juniorpart­ner ist es immer besonders schwierig, das eigene Profil durchzuset­zen. Die neu gewonnene Glaubwürdi­gkeit könnte dann schneller verspielt sein, als den Grünen lieb sein kann.

 ?? Foto: dpa/Lino Mirgeler ?? Grünen-Spitzenkan­didatin Katharina Schulze präsentier­t sich im Wahlkampf in bayerische­r Tracht. Ob es nach der Wahl auch mit der CSU klappt?
Foto: dpa/Lino Mirgeler Grünen-Spitzenkan­didatin Katharina Schulze präsentier­t sich im Wahlkampf in bayerische­r Tracht. Ob es nach der Wahl auch mit der CSU klappt?

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