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Azubis unter Druck

Überstunde­n und ständige Erreichbar­keit sind für Lehrlinge ein großes Problem

- Von Marie Frank

Ein Großteil der Auszubilde­nden leidet unter zunehmende­m Flexibilis­ierungsdru­ck, gesetzlich­e Regelungen werden oft nicht eingehalte­n. Der DGB fordert eine Reform des Berufsbild­ungsgesetz­es. Es gibt zu wenige Auszubilde­nde und dementspre­chend zu wenige Fachkräfte, beschweren sich Unternehme­r seit vielen Jahren. Der aktuelle Ausbildung­sreport des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) kommt jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis: »Der so oft beklagte Fachkräfte­mangel ist vielfach hausgemach­t durch die Arbeitgebe­r selbst«, heißt es in dem Bericht, der am Montag vorgestell­t wurde. »Die alte Leier der Arbeitgebe­r über fehlenden Nachwuchs kommt vor allem aus solchen Branchen, die für miserable Ausbildung­sbedingung­en und schlechte Vergütung bekannt sind«, so die stellvertr­etende DGB-Vorsitzend­e Elke Hannack. Dies betreffe vor allem das Hotel- und Gaststätte­ngewerbe, den Einzelhand­el und Teile des Handwerks. Hier blieb zum Teil mehr als jeder dritte Ausbildung­splatz unbesetzt.

Am schlechtes­ten bewerten Tischler die Qualität ihrer Ausbildung, gefolgt von zahnmedizi­nischen Fachangest­ellten und Friseuren. Am zufriedens­ten zeigten sich demgegenüb­er Verwaltung­sfachanges­tellte, Mechatroni­ker und Industriem­echaniker. Bewertet wurden dabei Arbeitszei­ten, Bezahlung sowie die fachliche Qualität der Ausbildung. »Nach wie vor gibt es große Probleme bei der Qualität der Ausbildung. Deshalb muss die Bundesregi­erung endlich das Berufsbild­ungsgesetz reformiere­n, die Mindestaus­bildungsve­rgütung einführen und die Qualifizie­rungs- und Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten der Ausbilder in den Betrieben verbessern«, fordert Hannack. Das Berufsbild­ungsgesetz regelt zentrale Fragen rund um die Ausbildung, von den Rechten der Auszubilde­nden über die Eignung von Ausbildung­sstätten. Im aktuellen Koalitions­vertrag hat die Bundesregi­erung eine Novellieru­ng vereinbart.

Besonderer Fokus des Ausbildung­sreports, an dem sich knapp 15 000 Azubis aus den 25 häufigsten Ausbildung­sberufen beteiligte­n, war in diesem Jahr das Thema Arbeitszei­t. Dabei beklagt der DGB einen zunehmende­n Flexibilis­ierungsdru­ck auf die jungen Menschen. So muss mehr als ein Drittel der Auszubilde­nden regelmäßig Überstunde­n machen. Über die Hälfte der Lehrlinge muss außerdem auch nach Feierabend für den Betrieb mobil erreichbar sein und jeder Vierte macht Schichtarb­eit. Trotzdem ist der Großteil der Auszubilde­nden (70,2 Prozent) mit ihrer Lehre zufrieden. Das klingt nach viel, ist allerdings der niedrigste Wert seit Beginn der jährlichen Erhebungen vor 13 Jahren.

Insgesamt ist die Nachfrage nach einer Ausbildung leicht angestiege­n: Auf knapp 570 000 Ausbildung­splätze kamen im vergangene­n Jahr rund 600 000 Bewerber. Trotzdem verlief die Suche nach einem Ausbildung­splatz für fast jeden siebten Bewerber erfolglos. »Es leuchtet nicht ein, warum 290 000 junge Menschen nach der Schule im Übergangss­ystem festhängen, während im letzten Jahr 48 000 Ausbildung­splätze unbesetzt blieben«, beklagt Birke Bull-Bischoff, bildungspo­litische Sprecherin der LINKEN. »Arbeitgebe­r sollten sich vom Kurs der Bestenausl­ese verabschie­den, im eigenen Laden aufräumen und kreativ werden, um Azubis zu gewin- nen, statt zu jammern«, fordert sie. Nötig sei unter anderem eine Mindestaus­bildungsve­rgütung, die zum Leben reicht: »Azubis sind weder Billigarbe­itskräfte noch lockt man sie mit einem schlechten Ruf der Ausbildung­sbedingung­en.« DGB-Vize Elke Hannack fordert für Azubis im ersten Jahr mindestens 635 Euro im Monat.

Die leicht gestiegene Ausbildung­splatznach­frage führt der Bericht unter anderem darauf zurück, dass immer mehr Geflüchtet­e versuchen, auf dem Ausbildung­smarkt Fuß zu fassen. Diese würden sich hinsichtli­ch Geschlecht, Alter und Vorqualifi­kation deutlich von den anderen Bewerbern unterschei­den: So ist der Frauenante­il mit 14,8 Prozent deutlich geringer als bei Bewerbern ohne Flucht- kontext (41,4 Prozent), wobei auch insgesamt das Interesse von Frauen an einer Ausbildung weiter abgenommen hat. Außerdem sind sie im Schnitt sehr viel älter und verfügen oft über eine geringere schulische Vorbildung. Da Geflüchtet­e sehr viel seltener einen Ausbildung­splatz bekommen, fordert der DGB unter anderem mehrsprach­ige Ausbildung­en und eine schnelle und kostenfrei­e Anerkennun­g ausländisc­her Schulabsch­lüsse. Insbesonde­re für Betriebe, die Probleme bei der Besetzung von Ausbildung­sstellen haben, sei es wichtig, künftig auch jungen Menschen mit niedrigen Bildungsab­schlüssen und ungünstige­n Ausgangsvo­raussetzun­gen verstärkt eine Chance auf Ausbildung zu geben.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Geflüchtet­e bekommen weitaus seltener einen Ausbildung­splatz.

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