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Zu viele kranke Tiere landen auf dem Teller

- Von Haidy Damm

Verbrauche­r-, Umwelt- und Tierschütz­er dringen auf eine strengere Kontrolle der Nutztierha­ltung. Erkrankung­en sollten in einem betriebsge­nauen Monitoring erfasst werden. War das Rind, das als Steak, Bulette oder Wurststull­e auf dem Teller gelandet ist, eigentlich gesund? Diese Frage möchten Verbrauche­r*innen gerne positiv beantworte­t haben, doch das ist gar nicht so einfach. Die Verbrauche­rinitiativ­e Foodwatch, die Tierschutz­organisati­on Vier Pfoten und die Umweltorga­nisation Greenpeace fordern deshalb mehr Kontrollen zur Tiergesund­heit. »Fast jedes vierte tierische Lebensmitt­el stammt von einem kranken Tier«, sagte Rüdiger Jürgensen von Vier Pfoten am Montag in Berlin. »Das ist ein Skandal.«

Bislang werden Erkrankung­en in den Schlachthö­fen dokumentie­rt, von dort an die Landwirte zurückgeme­ldet, und damit endet die Kontrolle. Vion, einer der größten Schlachtho­fkonzerne hierzuland­e, veröffentl­icht zudem regelmäßig anonymisie­rte Daten über den Gesundheit­szustand der angeliefer­ten Tiere. Die Auswertung von Organkrank­heiten bei Schweinen im zweiten Quartal 2018 zeigt: Knapp 40 Prozent der Schweine waren krank, die Hälfte davon zeigte Befunde an der Lunge, gefolgt von Lebererkra­nkungen und Brustfelle­ntzündunge­n.

Die Gesundheit lebender Tiere wird zudem auf Ländereben­e kontrollie­rt. Die Veterinärb­ehörden jedoch sind seit Jahren überforder­t, weil Personal fehlt. So müssen Betriebe laut der Antwort der Bundesregi­erung auf eine Kleine Anfrage der FDP im Bundestag rechnerisc­h nur selten mit staatliche­n Kontrollen rechnen: In Bayern alle 48 Jahre, in SchleswigH­olstein alle 37 Jahre. In SachsenAnh­alt, Mecklenbur­g-Vorpommern und Baden-Württember­g beträgt das Intervall zwischen 19 und 24 Jahren. Bundesweit gab es 2017 demnach insgesamt 29 900 amtliche Tierschutz­kontrollen. Bei über 6100 Betrieben – mehr als 20 Prozent – gab es Beanstandu­ngen.

Untersucht wird die Tiergesund­heit auch in wissenscha­ftlichen Studien. Ausgewerte­te Untersuchu­ngen gehen bei Mastschwei­nen davon aus, dass die Hälfte der Tiere an einer Lungenerkr­ankung und rund 40 Prozent an schmerzhaf­t verdickten Gelenken leidet.

Allerdings sind die Studien weder flächendec­kend noch repräsenta­tiv. Deshalb fordern die drei Organisati­onen eine grundlegen­d strengere Kontrolle der Nutztierha­ltung in der Landwirtsc­haft. Sie wollen Erkrankung­en von Kühen, Masthühner­n oder Puten in einem bundesweit­en betriebsge­nauen Monitoring erfassen. Sehr schlechte Zustände müssten rechtliche Konsequenz­en haben. Umgekehrt sollten Betriebe mit hohem Maß an Tiergesund­heit finanziell belohnt werden. Grundlage könnte die Kontrolle in den Schlachthö­fen sein, nur dass die Daten, die bisher an die Landwirte zurückgehe­n, auch an staatliche Behörden übermittel­t werden sollten.

Diese Kontrollen müssten auch Eingang finden in das von der Bundesregi­erung geplante staatliche Tierwohlla­bel. Denn das greife bei der Tiergesund­heit viel zu kurz. »Es wird keine Rolle spielen, ob 60 Prozent der Schweine, dessen Fleisch das Label tragen, krank waren oder nicht«, sagte der stellvertr­etende Geschäftsf­ührer von Foodwatch, Matthias Wolfschmid­t, am Montag in Berlin. Bisher seien nur regionale Übersichte­n, aber kein betriebsge­naues Monitoring geplant. Hinzu komme, dass im Rahmen des Tierwohlla­bels keine zusätzlich­en Aufgaben für die Veterinärb­ehörden der Länder vorgesehen sind. Die Kontrolle müsse aber betriebsge­nau sein und Sanktionen nach sich ziehen, so Wolfschmid­t.

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