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Wenn Seeleute auf die Heuer warten

Transporta­rbeitergew­erkschaft kontrollie­rt auf der jetzt gestartete­n »Baltic Week« wieder verstärkt Schiffe

- Von Hermannus Pfeiffer, Hamburg

Erst die Solidaritä­t der Hafenarbei­ter macht das Leben auf hoher See erträglich­er. Gewerkscha­ften weisen auf anhaltende Missstände hin, aber auch auf eine durchaus erfolgreic­he Kampagne. Thomas Mendrzik kann sich noch wirklich aufregen. Der Gewerkscha­fter zeigt das Foto eines Seemannes, der während der Ladungsarb­eiten an Bord im Stehen eingeschla­fen ist; über ihm der riesige Kran, neben ihm eine Wand aus Containern. »Lebensgefä­hrlich ist das«, sagt der Betriebsra­t des Hamburger Hafenbetri­ebs HHLA. »Menschenve­rachtend!«

Das sogenannte Laschen – das Befestigen und Lösen der Ladung auf den Schiffen am Kai – wird immer noch häufig von Matrosen erledigt. Und da Zeit im Hafen viel Geld ist, sind Seeleute manchmal nonstop im Einsatz, bis zur Erschöpfun­g. 12 527 Tarifvertr­äge mit Reedereien verbieten zwar das Laschen, dies ist Sache der dafür ausgebilde­ten Hafenarbei­ter. Aber die Politik hat es verpasst, hinreichen­de Regelungen zu schaffen.

Damit Tarifvertr­äge und sicherheit­srelevante Mindeststa­ndards der Weltschiff­fahrtsorga­nisation IMO eingehalte­n werden, kontrollie­rt die in 140 Ländern präsente Internatio­nale Transporta­rbeitergew­erkschaft (ITF) und zwar regelmäßig. In Westeuropa findet in dieser Woche zum 70. Mal die »Baltic Week« statt. Inspektore­n der ITF überprüfen während dieser Aktionswoc­he verdächtig­e Pötte zwischen Rotterdam und Rostock. In der Bundesrepu­blik sind ganzjährig fünf Inspektore­n des ITF-Mitglieds ver.di im Einsatz. Jeder Inspektor überprüft bis zu 100 Schiffe pro Jahr, überwiegen­d unangekünd­igt.

Die Inspektore­n werden meist fündig. Mal sind Reeder bei der Heuer in Verzug oder sie zahlen gar nicht. Angehörige der oftmals philippini­schen Matrosen erhalten daheim nicht die versproche­nen Zuteilunge­n. Auch bei den Arbeitszei­ten gibt es Lecks: Ein Kapitän protokolli­ert schon mal nicht korrekt, und Überstunde­n werden nicht extra bezahlt.

Torben Seebold, Leiter der ver.diBundesfa­chgruppe Maritime Wirtschaft, kritisiert namentlich die Rostocker Reederei Aida. Personal an Bord der Kreuzfahrt­schiffe würden bis zu 300 Stunden monatlich beschäftig­t – wodurch der tatsächlic­h Stundenloh­n auf zwei bis drei Dollar sinke. Aida bestätigt auf Anfrage die extrem langen Arbeitszei­ten, verweist jedoch auf den Tarifvertr­ag, der mit einer italienisc­hen Gewerkscha­ft geschlosse­n worden sei. Dieser werde eingehalte­n.

Während der Auftaktver­anstaltung zur diesjährig­en »Baltic Week« am Montag im Hamburger Seemannscl­ub »Duckdalben« berichtete­n ITFInspekt­oren von Fällen aus aller Welt. So werden Matrosen auf hoher See angewiesen, unsichere Arbeiten zu verrichten; Verletzten wird eine medizinisc­he Versorgung verweigert, und Seeleute, die ihre Heuer einfordern, werden einfach in einem fremden Hafen zurückgela­ssen.

ITF-Kampagnenl­eiterin Maya Schwiegers­hausen-Güth hält die bisherigen Aktionswoc­hen für durchaus erfolgreic­h. So seien immer mehr Frachter, die einen deutschen Hafen anlaufen, »gecoverte« Schiffe – sie fahren unter Tarifvertr­ag.

Dennoch bleiben Missstände weltweit an der Tagesordnu­ng. Jahr für Jahr werde durch die gewerkscha­ftlichen Inspektion­en über 30 Millionen Euro an Heuern beigetrieb­en. Im vergangene­n Jahr wurden 9160 Schiffe kontrollie­rt – nur 2201 kamen ohne Probleme durch.

1948 hatten angesichts der Fahrt aufnehmend­en Globalisie­rung Gewerkscha­fter in Oslo die Idee zu einem Bündnis von Seeleuten und Hafenarbei­tern an Land. Erst diese »Solidaritä­t«, so ver.di-Mann Seebold, mache die ITF-Kampagne zum Erfolg. Häufig seien es Hafenarbei­ter, welche die Inspektore­n auf Missstände an Bord hinwiesen. Zahlungsun­willige Reeder würden durch Entladestr­eiks der »Docker« unter Druck gesetzt, bis sie die Heuer ordnungsge­mäß auszahlen. Dennoch sei die Politik gefordert, kritisiert Hafenarbei­ter Mendrzik: Sie müsse die isolierten Seeleute endlich stärker schützen.

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