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Atemgift per Pipeline

Nordrhein-Westfalen: Umweltschü­tzer wollen erneut gegen CO-Rohrleitun­g klagen

- Von Rolf Schraa, Düsseldorf

Seit Jahren tobt der Streit um eine CO-Pipeline mitten durch NRW. Umweltschü­tzer sprechen von »Giftgas« und Lebensgefa­hr. Am Mittwoch werden neue Pläne für die Pipeline zur Diskussion gestellt. Der erbitterte Streit um die 2011 fertiggest­ellte, jedoch bisher nicht genutzte Kohlenmono­xid-Pipeline zwischen Krefeld und Dormagen (Nordrhein-Westfalen) geht in eine neue Runde. Am 5. September werden in den Rathäusern entlang der 67 Kilometer langen Leitung zwölf Aktenordne­r voll mit Unterlagen für geänderte Planungen zu dem Projekt ausgelegt. Umweltschü­tzer haben neuen Widerstand angekündig­t. »Wir werden wohl wieder klagen. Die Wahrschein­lichkeit ist fast 100 Prozent«, sagt der Sprecher der Gegner, Dieter Donner.

Die Kunststoff­sparte der Bayer AG und ihr heutiges Nachfolgeu­nternehmen Covestro benötigen Kohlenmono­xid aus dem Werk Dormagen für die Produktion in Krefeld-Uerdingen. Das Krefelder Werk erzeugt den Stoff mit einer älteren Koksanlage zwar auch selbst. Sobald es dort Stillständ­e gibt, wird es aber für die gesamte Produktion im Werk mit rund 1100 Beschäftig­ten schwierig. Liefertreu­e sei im Chemikalie­ngeschäft mit seinen knappen Margen und dem harten globalen Konkurrenz­kampf oberstes Gebot. »Ohne die Pipeline wäre unser Standort Uerdingen isoliert – mittelfris­tig würde dies zu massiven Einschränk­ungen der Wettbewerb­sfähigkeit führen«, sagt ein Covestro-Sprecher.

Was kritisiere­n die Umweltschü­tzer? Kohlenmono­xid ist ein tödliches Atemgift, das der Mensch nicht riecht und deshalb nicht bemerkt. Mehrere hundert Menschen sterben jedes Jahr in Deutschlan­d an Kohlenmono­xidvergift­ungen – meist durch defekte Heizungen oder beim Grillen in geschlosse­nen Räumen. Ein derart gefährlich­er Stoff dürfe nicht mitten durch ein dicht besie- deltes Land wie NRW transporti­ert werden, argumentie­ren die Gegner der Pipeline. »Keine Risiko-Leitung durch Wohngebiet­e«, lautet der Slogan der Umweltschü­tzer. Covestro hält die Pipeline dagegen für sicher – sie sei mit den modernsten Schutzund Informatio­nsmechanis­men für den Fall eines Gasaustrit­ts ausgestatt­et.

Doch warum wurden die Pläne noch einmal geändert? Zunächst einmal sind Planänderu­ngsverfahr­en bei industriel­len Großprojek­ten nichts Ungewöhnli­ches. So musste auf 67 Kilometern Leitungsba­u immer mal wieder einige Meter von der genehmigte­n Trasse abgewichen werden, etwa weil Rohre oder Pfeiler im Weg standen. Mit der Planänderu­ng wird so etwas nachträgli­ch glatt gezogen. Wenig problemati­sch dürfte auch sein, dass Bayer bei dem Bau für einige Kilometer Rohr- leitung ein etwas anderes Material benutzt hatte – der Rohrliefer­ant hatte Lieferprob­leme wegen eines Brandes.

Das Problem: Über den 1,50 bis zwei Meter tief versenkten Rohren wurden Kunststoff-Schutzmatt­en mit rund zehn Zentimeter breiten farbigen Warnstreif­en auf jeder Seite verlegt – für den Fall, dass Baggerführ­er bei Bodenarbei­ten auf die Leitungen stoßen. Die Schutzmatt­en mussten laut Genehmigun­g einen Meter breit sein, der Konzern verwendete aber Matten mit einem Meter Breite einschließ­lich der Schutzstre­ifen – ohne den Streifen waren sie damit zu schmal. Deshalb ist jetzt vorgesehen, den Boden noch einmal komplett aufzureiße­n und neue, breitere Matten zu verlegen.

Umweltschü­tzer halten es für aberwitzig, wegen der Schutzmatt­enstreifen auf fast 70 Kilometern Äcker und Vorgärten in NordrheinW­estfalen erneut aufzureiße­n, sagt ihr Sprecher. Die Pipeline dürfe einfach nicht in Betrieb gehen. Außerdem sei während des jahrelange­n Streits um das Projekt zwischenze­itlich die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung bei Großprojek­ten verschärft worden. Für die Kohlenmono­xidPipelin­e müsse das neue, schärfere Recht gelten, erklärte der Sprecher. Danach sei eine Genehmigun­g nicht mehr machbar.

Für die Kohlenmono­xid-Pipeline müsse das neue, schärfere Recht gelten, erklärten die Kritiker.

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Foto: dpa/Horst Ossinger Die umstritten­e Pipeline wird in einem Wald im Düsseldorf­er Stadtgebie­t verlegt.

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