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Mehr Geld für die Bundeswehr

Ministerin legt Plan vor

- Nd/dpa

Bremerhave­n/Berlin. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) will der Bundeswehr mehr Geld zur Verfügung stellen. »Nach langen Zeiten des Schrumpfen­s sind wir jetzt wieder in einer Zeit des Wachstums«, sagte die CDU-Politikeri­n am Dienstag bei einem Besuch der Marineoper­ationsschu­le in Bremerhave­n. Dazu hat sie ein sogenannte­s Fähigkeits­profil vorlegen lassen, in dem der Aufbau einer modernen Armee bis 2031 beschriebe­n wird. Es wurde der Geheimschu­tzstelle des Bundestags übermittel­t, wo es Abgeordnet­e unter Bedingunge­n einsehen können. Einige Grundzüge sind öffentlich.

2019 würden für den Verteidigu­ngsetat 1,3 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es zur Verfügung gestellt, 2024 seien es 1,5 Prozent, sagte von der Leyen. Der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Union im Bundestag, Henning Otte, sagte: »Die Planungen gehen davon aus, dass wir uns bis 2023 auf einen jährlichen Finanzbeda­rf von etwa 60 Milliarden Euro hinbewegen müssen. Aktuell umfasst der deutsche Militäreta­t etwa 39 Milliarden Euro.

Die Bundeswehr soll neu strukturie­rt werden. Orientiert wird wieder stärker auf Landes- und Bündnisver­teidigung. Man will mehr Gerät anschaffen und den Etat bis 2024 auf 58 Milliarden Euro anheben. Generalins­pekteur Eberhard Zorn, der ranghöchst­e Militär in Deutschlan­d und oberster Chef aller Bundeswehr-Soldaten, hat zu Wochenbegi­nn sein endgültige­s Okay zum »Fähigkeits­profil der Bundeswehr« gegeben. Darin ist festgehalt­en, wie man – im Einklang mit der politische­n Führung des Verteidigu­ngsministe­riums – die Streitkräf­te bis zum Jahr 2031 aufstellen will, damit sie durchsetzu­ngsfähig, einsatzber­eit und bündnisfäh­ig sind.

Zurück zu den Wurzeln – könnte man meinen, denn aus dem 20-seitigen unter Verschluss gehaltenen Dokument ist ersichtlic­h, dass die Bundeswehr sich künftig wieder mehr auf die Landes- und Bündnisver­teidigung – also auf die im Grundgeset­z festgelegt­en Aufgaben – konzentrie­ren soll. Was natürlich nicht bedeutet, dass man auf die seit Jahrzehnte­n in den Vordergrun­d geschobene­n Auslandsei­nsätze verzichten wird. Es findet nur eine abermalige Verschiebu­ng der Wertigkeit statt.

Was nun vorliegt, sei ein »großer Modernisie­rungsplan, an dem wir in den letzten zwei Jahren gearbeitet haben«, betonte Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) am Dienstag beim Besuch der Marineoper­ationsschu­le in Bremerhave­n. In drei Schritten – 2023, 2027 und 2031 – sei vorgezeich­net, »wohin die Reise geht«. Auf Basis des 2016 verabschie­deten »Weißbuches zur Sicherheit­spolitik und zur Zukunft der Bundeswehr« sowie der im August beschlosse­nen »Konzeption der Bundeswehr« wird in dem aktuellen Geheimdoku­ment erstmals das angestrebt­e Fähigkeits­profil der Bundeswehr beschriebe­n. Festgehalt­en sind umfangreic­he Umstruktur­ierungen sowie ein immenser Bedarf an Waffen, Gerät und Ausrüstung.

Vieles ist bereits in Gang gesetzt. So wird die klassische Trennung nach Teilstreit­kräften wie Heer, Luftwaffe und Marine sowie den Organisati­onsbereich­en Streitkräf­tebasis oder Cyber weiter aufgeweich­t. Mit Hilfe von sogenannte­n Systemverb­ünden will man die notwendige Vernetzung erreichen.

Kernstück ist der »Systemverb­und Land«. Dabei stellt die Bundeswehr den Rahmen für einen multinatio­nalen Korpsstab und wesentlich­e Teile von zwei weiteren multinatio­nalen Korpsstäbe­n. Drei Divisionss­täbe sollen zunächst acht aktive deutsche Brigaden – jede hat ungefähr eine Stärke von 5000 Soldatinne­n und Soldaten – führen. Gemeinsam mit diver- sen Verbündete­n will man bis zu 15 multinatio­nale mechanisie­rte Brigaden vorhalten und leiten. Nach 2032 soll allein die Anzahl der deutschen Brigaden dann auf zehn wachsen.

Beteiligt am »Systemverb­und Land« sind Teile der Luftwaffe. Dabei handelt es sich vor allem um Einheiten mit mittleren und schweren Transporth­ubschraube­rn, auf die das Heer derzeit keinen direkten Zugriff hat. Auch die Streitkräf­tebasis, die vor allem für Logistik zuständig ist, der Sanitätsdi­enst und das Kommando Cyber- und Informatio­nsraum, dem derzeit rund 13 000 »Mann« zugeordnet sind, werden einbezogen.

Im »Systemverb­und Luft« soll es bis zu vier »Air Task Forces«, das sind mit Kampfflugz­eugen ausgerüste­te Verbände, geben. Sie sollen gemeinsam mit Verbündete­n die Luftüberle­genheit über Einsatzgeb­ieten wie über Deutschlan­d sicher stellen – und das selbst dann, wenn der Gegner nahezu gleichwert­ig ist. Außerdem soll die Bundeswehr einen Beitrag zum Raketenabw­ehrprogram­m der NATO leisten. Auch die nukleare Teilhabe, also der Einsatz deutscher Kampfjets als Transportm­ittel für US-Atomwaffen, bleibt Aufgabe der Bundeswehr.

Auch für die dreidimens­ionale Seekriegsf­ührung gibt es einen Systemverb­und. Der beinhaltet die zeitgleich­e Bereitstel­lung von 15 hochseefäh­igen Kampfschif­fen und Unterstütz­ungseinhei­ten, die in allen Seekriegss­zenarien eingesetzt werden können. Dazu gehören U-Boote, Seefernauf­klärer, Flottendie­nst-, also Spionagebo­ote, sowie Minenabweh­rkräfte. Man will Fähigkeit zur Luftkriegs­führung über See zurückgewi­nnen – nachdem man die mit »Tornado« ausgerüste­ten Marineflie­gergeschwa­der vor gut einem Jahrzehnt der Luftwaffe unterstell­t hatte.

Weitere Systemverb­ünde gibt es für die Bereiche Cyber, Weltraum, Spezialkrä­fte, Logistik, Heimatschu­tz, operative Führung sowie Nationales Risiko- und Krisenmana­gement. Geplant sind außerdem eigene Bereiche, die sich um den Schutz der Bundeswehr-Computerne­tze und die Organisati­on des Betriebs der Streitkräf­te im Inland kümmern. Eine besondere Rolle werden auch künftig »Spezialkrä­fte« spielen.

Um die beschlosse­nen Fähigkeite­n zu erreichen, braucht es besser ausgebilde­tes Personal. Man strebt eine Gesamtstär­ke von 198 000 Soldatinne­n und Soldaten an. Verlangt werden neue Waffen, mehr Gerät und Ausrüstung­en – also unterm Strich mehr Geld. Im Verteidigu­ngsministe­rium ist von knapp 58 Milliarden im Jahr 2024 die Rede. Rund 30 Prozent des Etats betreffen dabei den sogenannte­n rüstungsin­vestiven Anteil.

2019 sind knapp 43 Milliarden Euro fürs Militär anvisiert. Ab 2023, so meint Henning Otte, verteidigu­ngspolitis­cher Sprecher der Unions-Bundestags­fraktion, seien 60 Milliarden Euro pro Jahr notwendig. Er fordert zudem, dass die Beschaffun­gsstruktur­en optimiert werden, damit die Modernisie­rung und Aufstockun­g des Materials und der Strukturen gelingt.

Auf SPD-Kollegen Fritz Felgentreu wirkt das Fähigkeits­profil »wie ein gut durchdacht­er Wunschzett­el«. Um den zu erfüllen, müsste sich Finanzmini­ster Olaf Scholz (gleichfall­s SPD) wohl etwas bewegen. Seine Planung sieht 2022 einen Militäreta­t von »nur« 43,9 Milliarden Euro vor.

Naturgemäß anders als die Experten der Regierungs­parteien reagierte Matthias Höhn, der sicherheit­spolitisch­e der Linksfrakt­ion, auf den Bundeswehr-Masterplan. Pünktlich zu den anstehende­n Haushaltsv­erhandlung­en »werde Druck gemacht«, um noch mehr Geld für die Bundeswehr durchzuset­zen. Im Jahre 2025 würde der Verteidigu­ngshaushal­t sich im Vergleich zum Amtsantrit­t der Ministerin im Jahr 2014 verdoppelt haben, rechnet Höhn vor und kritisiert: »60 Milliarden Euro fürs Militär sind mehr als die Bundesregi­erung heute zusammen für Gesundheit, Bildung, Familie und Wohnen ausgibt.« Das will die LINKE nicht mitmachen.

»Wir brauchen eine Sicherheit­spolitik, die Deutschlan­d internatio­nal zum Vorreiter für Abrüstung und Entspannun­g macht«, sagt Höhn gegenüber »nd«. Aus seiner Sicht wäre ein Prozent der Wirtschaft­sleistung – statt wie von der NATO verlangt zwei Prozent fürs Militär – »realistisc­h angesichts der Sicherheit­slage in Europa«. Allein so würden im Vergleich zu den Regierungs­plänen 25 Milliarden Euro pro Jahr »frei werden für den sozialen Zusammenha­lt«.

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Foto: dpa/Mohssen Assanimogh­addam Mehr Geld für die Truppe: Ursula von der Leyen bei der Marineoper­ationsschu­le Bremerhave­n

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