nd.DerTag

Gesundheit ist nicht billig

Ulrike Henning warnt davor, konstante Fehlzeiten falsch zu interpreti­eren

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Konstante Fehlzeiten von etwa fünf Prozent seit nunmehr drei Jahren, wie von der AOK gerade festgestel­lt, erscheinen relativ niedrig und können verschiede­n interpreti­ert werden. Mehr Unternehme­n suchen Mitarbeite­r und gehen mit diesen daher pflegliche­r um, wäre eine Variante. Deshalb werden die Beschäftig­ten seltener krank. Eine andere Erklärung könnte sein, dass das protestant­ische Arbeitseth­os hierzuland­e so fest verwurzelt ist, dass schlechte Gehälter oder Minijobs im Gesamtbild nicht wirklich stören. Hauptsache, das Betriebskl­ima ist gut, es gibt einen neuen Bürostuhl und Salat in der Kantine.

Gesundheit im Job ist jedoch weder billig noch einfach zu haben. Ständige Überforder­ung scheint in manchen Branchen hingegen fast ein Geschäftsm­odell, man schaue nur in die Pflege. Die gewerkscha­ftliche Kämpfe sind stärker geworden, weil sie um tarifliche Schutzmech­anismen ringen. Aber Erschöpfun­g, Nervosität oder Reizbarkei­t werden auch anderswo übersehen. Die Zahl der Fehltage wegen psychische­r Erkrankung­en ist zwischen 2007 und 2017 um fast 70 Prozent angestiege­n. Die Rechnung zahlen die Betroffene­n selbst, mit psychische­n Beschwerde­n und immer längeren Krankschre­ibungen aus diesem Grund, bis hin zur Frühverren­tung. Für die Kosten in Regress genommen werden nicht nur die Versichert­en, sondern die gesamte Gesellscha­ft, die Leistungsd­ruck als Normalität verinnerli­cht hat.

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