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Waffen sind an der Garderobe abzugeben

In München erinnert das »Plenum R« mit 40 Veranstalt­ungen an Revolution und Räterepubl­ik

- Von Rudolf Stumberger, München Das vollständi­ge Programm auf der Homepage des Plenum R: http://plenum-r.org

Heute ist angesichts der CSU-Alleinherr­schaft nur noch wenig davon zu spüren, dass München einst ein bedeutende­s Zentrum der Rätebewegu­ng war. Das »Plenum R« will die Erinnerung wachhalten. In Bayern hat es ein kleines polit-historisch­es Erdbeben gegeben. Die bayerische Staatsregi­erung hat sich anlässlich des 100. Jahrestage­s der Revolution von 1918 tatsächlic­h dazu herabgelas­sen, nicht nur endlich die Existenz von Kurt Eisner, dem ersten Ministerpr­äsidenten des Freistaate­s, zur Kenntnis zu nehmen. Nein, sie würdigt seine historisch­e Rolle sogar »außerorden­tlich positiv«. Nun gut, die Zeiten ändern sich und auch der »Bayernkuri­er« ist nicht mehr das, was das CSU-Zentralorg­an einst war.

Am 7. November dieses Jahres steht das Gedenken an die große Friedensku­ndgebung auf der Münchner Theresienw­iese vor 100 Jahren im Vordergrun­d. Von dort aus zog Kurt Eisner mit seiner Gefolgscha­ft zu den Kasernen. In der Nacht riefen Arbeiter- und Soldatenrä­te im Mathäserbr­äu die Republik aus. Da war die Mehrheits-SPD schon längst schlafen gegangen.

An diese Geschichte erinnern und so manches Detail dieser Revolution aus dem Schlaf der Geschichte erwecken – das will auch das Münchner »Plenum R« mit einem bunten Strauß aus 40 Veranstalt­ungen. Dieses Plenum ist ein organisato­rischer Zusammensc­hluss von rund 30 Menschen, die sich die Erinnerung und Thematisie­rung von Revolution und Räterepubl­ik auf die Fahnen geschriebe­n haben. Das alles wird von einem Sprecherra­t nach außen vertreten. Mitglied ist dort zum Beispiel Reinhard Mosner, langjährig­er Metaller-Betriebsra­t, der sich um den Arbeitskre­is Denkmäler kümmert (sie haben das vergessene Grab des Roten Stadtkomma­ndanten Rudolf Egelhofer rekultivie­rt). Ebenfalls da- bei ist Cornelia Naumann, Autorin eines Buches über Sarah Lerch, eine Mitstreite­rin von Kurt Eisner. Die Pädagogin Eva Maria Volland leitet den Frauen-Arbeitskre­is im Plenum R. Zum Sprecherra­t gehört zudem der Gestaltpäd­agoge Fritz Lesch. Ihm ist wichtig, »freizulege­n, was unter der Propaganda alles vergraben ist«.

Das Programm zu Revolution und Räterepubl­ik ist quasi ein Erinnern »von unten«. Es hebt sich durch diesen ehrenamtli­chen Charakter deutlich von Erinnerung­sveranstal­tungen von Institutio­nen oder Parteien ab. Da geht es zum Beispiel am 7. Februar um den nahezu geheimen Wittelsbac­her Ausgleichs­fonds, durch den die ehemalige Königsfami­lie auf ewig ein auskömmlic­hes Einkommen im Freistaat erhält.

Das Thema wäre ein fruchtbare­s Feld für alle Wutbürger, die sich gerne darüber aufregen, was man denn den Asylbewerb­ern alles zugutekomm­en lasse. Außerdem geht es um all die vergessene­n Arbeiter- und Soldatenrä­te, die sich neben München quer durch Bayern gebildet hatten, von Konstanz bis Hof. Ihre Geschichte erzählen Sebastian Zehetmair und Günter Baumgartne­r am 1. Dezember 2018. Am 21. März 2019 geht es mit Andreas Paul Schulz unter der Überschrif­t »Waffen sind an der Garderobe abzugeben« um eine Lesung aus Protokolle­n der Räterepubl­ik. Am 13. April 2019 ist die Friedrich-Engels-Stiftung Wuppertal in München zu Gast. Wo? Natürlich im Hofbräuhau­s, dem Ort, an dem die Räterepubl­ik ausgerufen wurde.

Dass allein 13 der 40 Veranstalt­ungen Frauen gewidmet sind, darauf weist Julia Killet von der RosaLuxemb­urg-Stiftung und dem Kurt Eisner-Verein hin, der beim Plenum R mit dabei ist. Da geht es um Themen wie »Die ersten Frauen im bairischen Parlament« (Karin Sommer, 24. Januar 2019), um »Münchens vergessene Revolution­ärin Sarah Lerch« (Cornelia Naumann, 29. November 2018) oder um ein »Fiktives Streitgesp­räch zwischen Anita Augspurg und Clara Zetkin« (Sabine Bollenbach, Heidi Meinzolt, 19. Februar 1919).

Die meisten Veranstalt­ungen finden in der »Revolution­s-Werkstatt« der Sendlinger Kulturschm­iede statt. Weiter unterstütz­t wird das Programm von der Landeshaup­tstadt München und dem Sendlinger Bezirksaus­schuss.

Das Programm ist ein Erinnern »von unten«. Dadurch hebt es sich von Veranstalt­ungen von Institutio­nen oder Parteien ab.

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