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Wiederannä­herungsbes­uch

Heiko Maas reist zum ersten Mal als Außenminis­ter in die Türkei

- Von Nelli Tügel

Der deutsche Außenminis­ter reist zum Antrittsbe­such nach Ankara und Istanbul – Ende des Monat wird der türkische Präsident nach Berlin kommen. Es ist die Rede von einer »Wiederannä­herung«. Es war an der türkischen Regierung zu verkünden, dass der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas am Mittwoch nicht nur seinen türkischen Amtskolleg­en Mevlüt Çavuşoğlu, sondern auch den Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdoğan höchstselb­st treffen werde. Das türkische Außenminis­terium teilte dies am Dienstag mit, Maas wird am Mittwoch in der türkischen Hauptstadt Ankara erwartet, soll dort zunächst von Çavuşoğlu empfangen werden und anschließe­nd Erdoğan sowie den Parlaments­präsidente­n und früheren Regierungs­chef Binali Yıldırım treffen.

Dessen Amt – das Ministerpr­äsidentena­mt – wurde mit den Wahlen am 24. Juni und der Einführung eines Präsidials­ystems in der Türkei abgeschaff­t – so wie auch der Rest an Demokratie in dem Land. Nun ist der Staatspräs­ident, der zuvor repräsenta­tive Aufgaben hatte, Regierungs­chef und besitzt umfassende Vollmachte­n, die weit über die anderer Präsidials­ysteme wie in Frankreich oder den Vereinigte­n Staaten hinausgehe­n.

Maas’ Visite in Ankara, die gleichzeit­ig auch sein Antrittsbe­such ist, fällt also in eine Zeit, da der massive Rückbau demokratis­cher Rechte, die faktische Aufhebung der Gewaltente­ilung und die Überführun­g des Ausnahmezu­standes in den Status quo gerade abgeschlos­sen wurde.

Dennoch ist sein Besuch begleitet von der Rede über »Wiederannä­herung« oder gar »Normalisie­rung« der deutschtür­kischen Beziehunge­n. Auf türkischer Seite ist man diesbezügl­ich betont optimistis­ch. Vor dem Hintergrun­d der Lira-Krise und des Streits mit den USA hat man Verbündete bitter nötig. Auch Maas spricht von Normalisie­rung, nennt aber Bedingunge­n für die unter anderem aus seiner Partei ins Gespräch gebrachten Finanzhilf­en. Gegenüber der »Bild am Sonntag« sagte er: »Es geht aber jetzt nicht um konkrete finanziell­e Hilfsmaßna­hmen für die türkische Wirtschaft, sondern um ei-

ne Normalisie­rung unserer Beziehunge­n. Dafür muss die Türkei liefern.« Maas verwies auf die sieben aus politische­n Gründen in der Türkei Inhaftiert­en. »Menschen müssen seit über einem Jahr Einzelhaft ertragen, ohne dass Anklagesch­riften vorliegen.« Dies sei unhaltbar und müsse beendet werden.

Eine deutsche Staatsbürg­erin, die mehrere Monate in Untersuchu­ngshaft saß und erst kürzlich in die Bundesrepu­blik zurückkehr­en konnte, nachdem ihre Ausreisesp­erre aufgehoben worden war, ist Meşale Tolu. Auf einer Pressekonf­erenz der Journalist­enorganisa­tion Reporter ohne Grenzen in Berlin, formuliert­e sie am Montagnach­mittag Erwartunge­n an die Türkei-Reise von Maas. Sie sei zuversicht­lich, dass »die Bundesregi­erung weiterhin auf die Menschenre­chtsverlet­zungen hinweisen wird«. Auch hoffe sie, dass bei »all diesen Besuchen (...) diese Themen angesproch­en werden, dass man das nicht übersieht«, so Tolu. Zu »all den Besuchen«, auf die die 33-Jährige sich bezog, gehört auch der für Ende September geplante Staatsbesu­ch Erdoğans in Berlin – es ist der erste nach dem gescheiter­ten Putschvers­uch im Juli 2016, dem eine Welle von Repression­en folgte.

Als dieser auch Deutsche zum Opfer fielen – neben Tolu waren die bekanntest­en Geiseln Erdoğans der »Welt«-Korrespond­ent Deniz Yücel sowie der Menschrech­tler Peter Steudtner – kündigte der damalige Außenminis­ter Sigmar Gabriel, ebenfalls SPD, im Sommer 2017 eine Neuausrich­tung der deutschen Türkei-Politik an. So recht sind dieser Ankündigun­g nie Taten gefolgt, wenn man von dem deutschen Veto bei der von der Türkei angestrebt­en Ausweitung der Zollunion mit der EU absieht. Und nun stehen die Zeichen offenbar ohnehin auf Entspannun­g.

Bei dem Besuch wird es nach Angaben des türkischen Außenminis­teriums um die deutsch-türkischen Beziehunge­n, den EU-Beitrittsp­rozess und regionale und internatio­nale Fragen gehen. Am Donnerstag soll Mass dann an einer Zeremonie zum Beginn des Schuljahrs an der Deutschen Schule in Istanbul teilnehmen. Auch um diese gab es in den vergangene­n Jahren Konflikte – wegen Interventi­onen der türkischen Regierung dort. Und auch hier sendet eine gemeinsame Zeremonie mit Çavuşoğlu ein deutliches Signal.

»Ich hoffe (...), dass die Bundesregi­erung weiterhin auf die Menschenre­chtsverlet­zungen hinweisen wird.« Meşale Tolu

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