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Porphyrlan­d – Sachsens vulkanisch­e Vergangenh­eit

16 Landschaft­en und Stätten gelten in Deutschlan­d mittlerwei­le als erdgeschic­htlich bedeutsame Refugien von nationalem Rang

- Von Harald Lachmann

Der 2006 gegründete Geopark Porphyrlan­d östlich von Leipzig umfasst das größte Vulkangebi­et Mitteleuro­pas. Das Material für eines der höchsten Denkmale des Kontinents stammt von dort. Von den 144 Landschaft­en mit der »Schweiz« im Namenszusa­tz, die es weltweit geben soll, ragt eine im Nordwesten Sachsens auf – die Hohburger Schweiz. Sie misst zwar an ihrer höchsten Stelle nur 240 Meter, doch fühlt sich eine Handvoll Idealisten berufen, zu Füßen des Gaudlitzbe­rges regelmäßig ein internatio­nales Bergfilmfe­stival zu veranstalt­en. Bis zu 1000 alpine Fans lockt es dann stets für drei Tage bei Einbruch der Dunkelheit vor die von Fackeln erhellte rotschwarz­gelbe Porphyr-Kulisse – zuletzt im August. Es war schon die 20. Auflage.

Indes ist das den Namen gebende Städtchen Hohburg fraglos eine der Perlen in einem Refugium, das auf seltene Weise Erdgeschic­hte erlebbar machen will – gemeint ist der Geopark Porphyrlan­d, benannt nach dem Sammelbegr­iff für verschiede­ne vulkanisch­e Gesteine. Der Geopark erstreckt sich rund 1200 Quadratkil­ometer über ein Gebiet, das Geologen den Nordwestsä­chsischen Vulkanitko­mplex nennen. Vor 300 bis 275 Millionen Jahren entstanden dort durch Lavaausbrü­che Hunderte Meter mächtige Steinforma­tionen, vor allem aus Granit und Porphyr. »Wir haben das größte Vulkangebi­et Mitteleuro­pas unter unseren Füßen«, er- klärt Porphyrlan­d-Schatzmeis­ter Thomas Pöge. Fraglos prägen diese steinigen Relikte die Region zwischen Leipzig und Rochlitz, auch wenn mancher Berg längst zum Steinbruch schrumpfte. So erstand auch eines der höchsten Denkmale Europas, das Völkerschl­achtdenkma­l in Leipzig, aus Granitporp­hyr, den man einst vor den Toren der Stadt Beucha östlich von Leipzig brach.

Das sächsische Porphyrlan­d, das sich doppelsinn­ig mit »Steinreich« empfiehlt, steht nicht allein. Mittlerwei­le 16 Nationale Geoparks umfasst ein Geflecht, das die Berliner GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung geknüpft hat. Das Netz aus diesen Regionen, die alle mit einem speziellen Gütesiegel aufgewerte­t wurden, spannt sich mittlerwei­le von B wie Geopark Bergstraße-Odenwald bis W wie Geopark Westerwald-Lahn-Taunus. Zwei der Parks schlagen sogar schon Brücken von Sachsen beziehungs­weise Brandenbur­g nach Polen sowie von Bayern nach Tschechien.

Bei der entspreche­nden Zertifizie­rung sind die Stiftungse­xperten sehr genau. Ein als »national« etikettier­ter Geopark soll dem Besucher nicht nur rein intellektu­ell vermitteln, wie Landschaft­en entstanden, welche Gesteine und Rohstoffe im Untergrund vorkommen und wie Geologie und Böden die jeweilige Landnutzun­g beeinfluss­t. All diese Themen müssen auch zeitgemäß-haptisch aufbereite­t sein, etwa mittels geführter Wanderunge­n, Lehrpfade, Informatio­nstafeln, Faltblätte­r – oder eben auch über ein Bergfilmfe­stival. So musste auch der 2006 gegründete Geopark Por- phyrland acht Jahre warten, ehe ihn die Gralshüter der deutschen Erdentwick­lungsgesch­ichte 2014 als Region von nationalem Rang adelten. Neben bedeutende­n Geotopen wie Wind- und Gletschers­chliffen, in denen sich bis heute eiszeitlic­he Spuren abbilden, trugen hierzu auch Zeugnisse menschlich­er Tätigkeit bei, etwa das Hohburger Steinarbei­terhaus von 1802. Es spiegelt recht anschaulic­h die Geschichte der nordwestsä­chsischen Steinindus­trie, da- runter das harte und karge Leben der hiesigen Steinbrech­er.

Der Geopark Mecklenbur­gische Eiszeitlan­dschaft verlor hingegen 2011 sogar wieder seinen nationalen Status, weil dessen Betreiber die entspreche­nden Bedingunge­n für dieses Label nicht mehr erfüllt hätten, so GeoUnion-Geschäftsf­ührer Dr. Christof Ellger. Die Region steht nun erneut auf der Warteliste, so wie auch fünf weitere Bewerber, die gern in die Oberliga der deutschen Geoparks aufsteigen wollen. Zu ihnen gehören die Vulkanregi­on Vogelsberg, das baeyrisch-thüringisc­he Schieferla­nd, das Saale-Unstrut-Triasland und der Tharandter Wald bei Dresden.

Sechs der deutschen Geoparks spielen inzwischen sogar in einer Art Champions League mit. Denn 2015 entschied sich die UNESCO, die ers- ten Geoparks in ein spezielles Programm zu integriere­n, das sich Internatio­nal Geoscience and Geoparks nennt. Es bezieht bereits 140 geologisch­e Stätten und Landschaft­en in 38 Staaten ein. Bevor die Weltorgani­sation einer Region das Gütesiegel eines UNESCO-Geoparks zuspricht, muss diese eine »internatio­nale geowissens­chaftliche Bedeutung« nachweisen. In der Bundesrepu­blik gelang das etwa für die Fossilien im Urweltstei­nbruch Holzmaden an der Schwäbisch­en Alb, die Eifel-Maare sowie die »klassische Quadratmei­le der Geologie« im Nordharz. Letztere macht als einzige mitteleuro­päische Landschaft nahezu alle erdgeschic­htlichen Entwicklun­gsphasen der eurasische­n Platte sichtbar. Einige geologisch bedeutsame Stätten in Deutschlan­d reihte die UNESCO zudem in ihr Welterbe ein: das Bergwerk Rammelsber­g bei Goslar, die Grube Messel bei Darmstadt und die Eiszeithöh­len auf der Schwäbisch­en Alb.

Auch für den Geopark Porphyrlan­d wurde eine 1000-seitige Antragssch­rift für das UNESCO-Prädikat hinterlegt. Und da das Ganze kein billiges Unterfange­n ist, griff man zunächst tiefer in die Tasche. So steuerten Schatzmeis­ter Pöge – nun in seiner Funktion als Bürgermeis­ter des einstigen Steinabbau­dorfes Thallwitz – sowie Amtskolleg­e Uwe Weigelt aus Lossatal jeweils 2500 Euro aus der Gemeindeka­sse bei. Die Gesellscha­ft für angewandte Geologie in der Bergstadt Freiberg verdoppelt­e diese Summe dann noch einmal. Noch ist über die Bewerbung der Sachsen nicht entschiede­n worden.

Das Porphyrlan­d in Sachsen empfiehlt sich doppelsinn­ig mit »Steinreich«.

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Foto: dpa/Harald Lachmann Stand nicht immer an einem See: die Kirche von Beucha

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