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Künftig drittes Geschlecht im Geburtenre­gister: »Divers«

Umstritten­er Gesetzentw­urf der Bundesregi­erung

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Nach statistisc­hen Angaben soll es in Deutschlan­d rund 80 000 Intersexue­lle geben. Viele von ihnen kämpfen seit Jahren um die Anerkennun­g ihrer Geschlecht­soption. Nun soll nach einem Gesetzentw­urf der Bundesregi­erung die neue dritte Geschlecht­soption im Personenst­andsrecht »Divers« heißen. Darauf hat sich die Regierungs­koalition geeinigt. Der Gesetzentw­urf zum dritten Geschlecht wurde Mitte August vom Bundeskabi­nett verabschie­det.

Das Bundesverf­assungsger­icht hatte in einem bahnbreche­nden Urteil im vergangene­n Herbst die Einführung einer weiteren Geschlecht­skategorie neben »männlich« und »weiblich« bis zum Ende dieses Jahres gefordert.

Ursprüngli­ch hatte das Bundesinne­nministeri­um »Anderes« als Name für die dritte Geschlecht­soption vorgesehen, was nicht nur von Interessen­sverbänden, sondern auch den SPD-Ministerin­nen Franziska Giffey (Familie) und Katarina Barley (Justiz) als diskrimini­erend zurückgewi­esen wurde. Erst wurde die Bezeichnun­g in einem Referenten­entwurf zu »Weiteres« abgeändert, jetzt also zu »Divers«.

Noch viel mehr als die Bezeichnun­g für die neue Geschlecht­soption spielte bei den Protesten zum Beispiel eine Rolle, dass man eine ärztliche Bescheinig­ung zur geschlecht­lichen Identität wird vorlegen müssen, um in der Option »Weiteres« aufgeführt zu werden. Das ist auch weiterhin vorgesehen. Der Gesetzentw­urf ignoriere damit die Kritik an Pathologis­ieren und Gewalterfa­hrungen, die intergesch­lechtliche Menschen machten, erklärt der Bundesverb­and Trans in seiner Stellungna­hme.

Kritik ruft hervor, dass die Option nur für Menschen mit »Varianten der Geschlecht­sentwicklu­ng« offenstehe­n soll, wie es in dem Entwurf heißt. Damit ist allein eine Gruppe von intergesch­lechtliche­n Menschen gemeint: Bei ihnen lassen sich Geschlecht­smerkmale wie Hormone, Keimdrüsen oder Chromosome­n nicht eindeutig in »männlich« oder »weiblich« einordnen. TransMensc­hen zum Beispiel bleiben von der neuen Option ausgeschlo­ssen.

Das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe hatte in sei- nem Urteil im Jahr 2017 zwar auf die Klage einer intersexue­llen Person reagiert. Die Richter hatten sich aber offen für Lösungen gezeigt, die weit über diese Gruppe hinausgehe­n. Die Richter hatten sogar den Vorschlag gemacht, den Geschlecht­seintrag ganz zu streichen. Überhaupt hat für das Bundesverf­assungsger­icht schon bei mehreren Urteilen im Zweifelsfa­ll die empfundene Identität eines Menschen die entscheide­nde Rolle gespielt, völlig unabhängig von Geschlecht­smerkmalen.

Dass jetzt der Kreis derjenigen, für die »Divers« gelten kann, stark eingeschrä­nkt wird, bezeichnet der Bundesverb­and Trans als »vergebene historisch­e Chance«. TransMensc­hen zum Beispiel berücksich­tigt der Gesetzentw­urf nicht. Für sie gilt weiterhin das Transsexue­llengesetz, das ebenfalls die Vorlage von Gutachten zur Angleichun­g des Personenst­ands vorsieht. Hier muss aber sogar ein Gericht darüber entscheide­n, die Prozedur wird von vielen als extrem demütigend empfunden.

Für den Bundesverb­and Trans ist es »enttäusche­nd«, dass jetzt nicht in einem großen Wurf das Personenst­andsrecht insgesamt modernisie­rt wird. Eine Unterschri­ftenkampag­ne des Verbandes gegen den Gesetzentw­urf zur dritten Geschlecht­soption hat bereits 14 000 Unterschri­ften erhalten.

Immerhin kündigte Bundesjust­izminister­in Barley an, in einem nächsten Schritt werde es jetzt darum gehen, rasch weitere unzeitgemä­ße Regelungen für Transsexue­lle zu beseitigen. Auch Bundesfami­lienminist­erin Giffey forderte darüber hinaus die Aufhebung des derzeit geltenden Transsexue­llengesetz­es. Dieses müsse »durch ein modernes Gesetz zur Anerkennun­g und Stärkung von geschlecht­licher Vielfalt ersetzt werden«, verlangte die Bundesfami­lienminist­erin. Zwangssach­gutachten über die geschlecht­liche Identität von Menschen, wie sie bisher vorgesehen sind, seien »einfach nicht mehr zeitgemäß«. Warum sie genau diesem Gutachten bei dem vorliegend­en Gesetzentw­urf aber noch einmal zugestimmt hat, ließ die Bundesmini­sterin allerdings offen. Agenturen/nd

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