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Die Lust an der Provokatio­n

Mit seinen Äußerungen zur Migration will Horst Seehofer die Politik der Bundesregi­erung weiter nach rechts verschiebe­n

- Von Aert van Riel

Die CSU hat auf ihrer Klausurtag­ung die internatio­nalen Kontakte mit rechtskons­ervativen Politikern ausgebaut. Sie eint die Forderung nach einem autoritäre­n Staat und der Flüchtling­sabwehr. Am Ende der parlamenta­rischen Sommerpaus­e befinden sich die Regierungs­parteien Union und SPD im Krisenmodu­s. Auf den Klausurtag­ungen der Fraktionen mussten ihre Vertreter am Donnerstag zur schlechten Stimmung in der Koalition Stellung beziehen. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt rechtferti­gte nach der Tagung im brandenbur­gischen Neuhardenb­erg Äußerungen von Horst Seehofer zu den rassistisc­hen Protesten und Hetzjagden in Chemnitz in den vergangene­n Wochen. Mit seiner Aussage, dass die Migrations­frage die »Mutter aller politische­n Probleme« sei, hatte der CSU-Vorsitzend­e und Innenminis­ter Opposition­spolitiker und Sozialdemo­kraten gegen sich aufgebrach­t.

»Die SPD soll ihre Hausaufgab­en machen und sich um das Sammelbeck­en von Sektierern kümmern, das die LINKE-Politikeri­n Sahra Wagenknech­t mit Unterstütz­ung von Teilen der SPD und der Grünen organisier­t«, sagte Dobrindt.

Das Verhalten von Seehofer und Dobrindt lässt sich zum einen damit erklären, dass die CSU kurz vor der bayerische­n Landtagswa­hl am 14. Oktober mit dem Rücken zur Wand steht und mit rechten Sprüchen um Wähler kämpft, die bei der AfD ihr Kreuz machen wollen. »Wir haben erstmals eine Partei rechts der Union, die sich mittelfris­tig etablieren könnte, ein gespaltene­s Land und einen mangelnden Rückhalt der Volksparte­ien in der Gesellscha­ft«, hatte Seehofer in einem Interview gesagt.

Hinzu kommt, dass die CSU derzeit die Kontakte mit anderen nationalko­nservative­n und neofaschis­tischen Parteien in der EU intensivie­rt, um sich auszutausc­hen und gemeinsam die Abschottun­g von Geflüchtet­en voranzutre­iben. Nach diversen Treffen mit dem ungarische­n Premiermin­ister Viktor Orbán war nun der dänische Regierungs­chef Lars Lokke Rasmussen an der CSU-Klausur teil. Rasmussen gilt als ein Verbündete­r der bayerische­n Konservati­ven, weil er sich etwa für den Aufbau von Flüchtling­slagern außerhalb der EU einsetzt. Mit von der Partei war auch der US-Botschafte­r und Anhänger des US-Präsidente­n Donald Trump, Richard Grenell, der nach eigener Aussage rechtskons­ervative Kräfte in Europa stärken will.

Dass die CSU die Konfrontat­ion mit der SPD sucht, wurde nicht nur an ihrer Auswahl der Gäste und der Verharmlos­ung der Vorkommnis­se in Chemnitz durch Seehofer deutlich. Hinzu kam, dass die Bayern das Vorhaben der Sozialdemo­kraten ablehnen, einen »Spurwechse­l« für Asylbewerb­er zu ermögliche­n. Die CSULandesg­ruppe sprach sich gegen diesen erleichter­ten Zugang zum Arbeitsmar­kt für Asylbewerb­er ausgesproc­hen. In dieser Frage liegt die CSU auf einer Linie mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU).

Der »Spurwechse­l« bedeutet im Grundsatz, dass es Asylbewerb­ern, die abgelehnt und nur geduldet, aber gut integriert sind und einen Arbeitspla­tz haben, über das Einwanderu­ngsrecht ermöglicht wird, in Deutschlan­d zu bleiben. Bestehende Möglichkei­ten für den Arbeitsmar­ktzugang wie die »Drei-plus-zwei-Regelung« befürworte­te Seehofer. Sie sieht vor, dass Flüchtling­e unter bestimmten Bedingunge­n hierzuland­e eine Berufsausb­ildung beginnen und danach zwei Jahre weiter als Fachkraft arbeiten können.

Trotz dieser Gegenwehr ihres Koalitions­partners war SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles zum Auftakt ihrer Klausurtag­ung bemüht, Aufbruchst­immung zu verbreiten. In Anspielung auf das Zitat von Seehofer sagte sie: »Die Mutter aller Lösungen ist der soziale Zusammenha­lt aller Menschen in unserem Land. Dafür steht die SPD.« Als Konfliktpa­rteien im Asylstreit der Koalition sah sie CDU und CSU. »Wenn Horst Seehofer von der Mutter aller Probleme spricht, meint er in Wahrheit Frau Merkel«, meinte Nahles.

Einige Genossen wurden deutlicher. »Dass Seehofer erklärt hat, dass er als einfacher Bürger auch in Chemnitz mitmarschi­ert wäre, macht ihn als Innenminis­ter unhaltbar«, sagte SPD-Vizechefin Natascha Kohnen, die auch Spitzenkan­didatin ihrer schwächeln­den Partei in Bayern ist.

Seehofer wollte mit seinen Äußerungen nicht nur die SPD provoziere­n. Diese richteten sich auch gegen Merkel und ihre einst liberale Flücht- lingspolit­ik. Merkel und Seehofer befinden sich seit Jahren in einem Dauerstrei­t über die Asylpoliti­k. Zumeist konnte sich Seehofer mit seinen Forderunge­n nach weiteren Verschärfu­ngen des Asylrechts durchsetze­n.

Merkel widersprac­h ihrem Innenminis­ter nun eher vorsichtig. »Ich sage das anders. Ich sage, die Migrations­frage stellt uns vor Herausford­erungen«, sagte Merkel am Donnerstag dem Fernsehsen­der RTL zu den Äußerungen von Seehofer. Dabei ge- be es »auch Probleme, dabei gibt es auch Erfolge«, so die Kanzlerin.

Seehofer kann auch in der CDU auf Unterstütz­er zählen. Der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Michael Grosse-Brömer (CDU) sagte, Seehofer habe zu Recht darauf hingewiese­n, dass die Migration eine der großen Herausford­erungen sei. »Natürlich bleibt die Zuwanderun­g, die Steuerung, Ordnung und auch Reduzierun­g der Zuwanderun­g nach Deutschlan­d eine wichtige Aufgabe.«

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