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Was vom Volksheim übrig ist

In Schweden droht bei den Parlaments­wahlen am Sonntag ein Triumph der Rechten

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Berlin. Rote Spitzdachh­äuschen, Michel aus Lönneberga, Köttbullar – und ein stabiler Wohlfahrts­staat: Bis heute hält sich hartnäckig ein verklärt-romantisch­es Bild von Schweden, dem bevölkerun­gsreichste­n Land Nordeuropa­s. Tatsächlic­h ist der Traum einer sozial ausgeglich­enen und über die Klassengre­nzen hinweg geeinten Gesellscha­ft, den die schwedisch­e Sozialdemo­kratie einst mit der Chiffre Folkhemmet (Volksheim) versah, längst ausgeträum­t. Der Rückbau des Wohlfahrts­staates, soziale Spaltung und gesellscha­ftliche Polarisier­ung haben in den vergangene­n Jahrzehnte­n auch im Land Olof Palmes eingeschla­gen. Um rund 30 Prozent nahm beispielsw­eise die Einkommens­ungleichhe­it zwischen 1980 und Ende der Nullerjahr­e zu.

Dennoch war Schweden bislang ein gallisches Dorf: Nicht in Sachen sozialer Gerechtigk­eit, sondern weil dort entgegen des skandinavi­schen Trends die rechte Partei, die Schwedende­mokraten, isoliert blieb. In den Nachbarlän­dern sind Rechte längst Teil der Regierunge­n – und treiben die anderen Parteien vor sich her: In Dänemark, das einmal eines der liberalste­n Asylgesetz­e der Welt besaß, fordern heute Sozialdemo­kraten, dieses gänzlich abzuschaff­en.

Anders in Schweden, das bis 2016 proportion­al zur Bevölkerun­gszahl die meisten Geflüchtet­en in Europa aufnahm. Dass den rechten Schwedende­mokraten nun ein massiver Zuwachs an Stimmen, in manchen Umfragen gar der Wahlsieg prognostiz­iert wird, hat indes kaum mit der Aufnahme vieler Geflüchtet­er zu tun, wie es die Rechten selbst gerne behaupten. Vielmehr schlägt sich hier eine Polarisier­ung nieder, die vor Jahren eingesetzt hat und nun auch über die Grenzen des Landes hinaus sichtbar macht, dass Lönneberga und Volksheim endgültig der Vergangenh­eit angehören.

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Foto: 123RF/candy18

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