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Maaßen wittert Verschwöru­ng in Chemnitz

Der Chef des Inlandsgeh­eimdienste­s zweifelt rassistisc­he Hetzjagden an, ohne Beweise vorzulegen

- Von Aert van Riel

Hans-Georg Maaßen sieht in den Taten des rechten Mobs, der zuletzt durch Chemnitz gezogen ist, keine Hetzjagden. Dabei gibt es zahlreiche Belege für Übergriffe durch Neonazis.

Nur einen Tag, nachdem sein Vorgesetzt­er, der Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), grundsätzl­ich Verständni­s für die rassistisc­hen Demonstrat­ionen in Chemnitz geäußert hatte, legte Hans-Georg Maaßen am Freitag nach. Die »Bild«-Zeitung zitierte den Präsidente­n des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz (BfV) mit den Worten, dem Verfassung­sschutz lägen keine belastbare­n Informatio­nen darüber vor, dass bei den Demonstrat­ionen in Chemnitz »Hetzjagden« stattgefun­den hätten. In diesem Zusammenha­ng zweifelte Maaßen ein im Internet kursierend­es Video an, das zeigt, wie Menschen mit ausländisc­hem Aussehen von Rechtsradi­kalen verfolgt werden. Laut Maaßen sprächen gute Gründe dafür, dass »es sich um eine gezielte Falschinfo­rmation handelt, um möglicherw­eise die Öffentlich­keit vom Mord in Chemnitz abzulenken«.

Worauf seine Zweifel beruhten, teilte der Geheimdien­stmann nicht mit. CDU-Politiker forderten ihn auf, seine Quellen offenzuleg­en. Anders als Maaßens Aussagen nahelegen, ist es zudem juristisch noch nicht geklärt, ob es sich bei dem Tötungsdel­ikt um Totschlag oder Mord handelte. Ende August war ein 35-jähriger Deutschkub­aner in Chemnitz erstochen worden. Die mutmaßlich­en Täter sind Asylbewerb­er.

Gegen die Behauptung­en von Maaßen, dass es möglicherw­eise doch keine »Hetzjagden« in der sächsische­n Stadt gegeben hat, sprechen viele Augenzeuge­nberichte und Bildmateri­al. Der Generalsta­atsanwalts­chaft Dresden zufolge sind auf Videoaufna­hmen »eine Vielzahl von Straftaten« festgehalt­en, darunter Körperverl­etzung, Beleidigun­g und Landfriede­nsbruch. Der »Zeit«-Ableger »Zett« hatte berichtet, dass der verfolgte Mann auf einem Video ein 22-jähriger Afghane ist. Er habe wegen des Vorfalls bei der Polizei Anzeige erstattet.

Auch das »nd« war bei den rechten Demonstrat­ionen vor Ort und kann bezeugen, dass am Abend des 1. September mehrere Journalist­en von Neonazis angegriffe­n wurden. Bundestags­vizepräsid­ent Thomas Oppermann (SPD) erinnerte außerdem daran, dass auch eine Gruppe Sozialdemo­kraten von rechten Hooligans attackiert wurde.

Linksparte­ichefin Katja Kipping sagte, Maaßen sei in seinem Amt nicht mehr haltbar. Anstatt die Verfassung zu verteidige­n, gebe er »den AfD-Versteher« und missbrauch­e »die Autorität seines Amtes, um jenen eine Unbedenkli­chkeitsbes­cheinigung auszustell­en, die in Chemnitz den Hitlergruß zeigten und zum Töten von Menschen aufriefen«.

Die SPD will nun das Parlamenta­rische Kontrollgr­emium anrufen. Dort werde Maaßen in der kommenden Woche Gelegenhei­t haben, »seine Behauptung­en zu belegen«, sagte SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles. Maaßen steht auch wegen seiner Treffen mit der früheren AfD-Chefin Frauke Petry unter Druck. Er soll Petry im Herbst 2015 Ratschläge gegeben haben, wie die Partei eine Beobachtun­g durch den Geheimdien­st vermeiden kann.

»Maaßen wird bald Gelegenhei­t haben, seine Behauptung­en zu belegen.« Andrea Nahles

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