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Kreml-Favoriten klar im Vorteil

Moskau wählt am Sonntag seinen Bürgermeis­ter, Russland in den Regionen

- Von Klaus Joachim Herrmann

Die Wahl des Moskauer Bürgermeis­ters ist zugleich Muster für die Abstimmung über die Gouverneur­s-Kandidaten am Sonntag in22 russischen Regionen. In Moskau kommt das Feuerwerk noch vor der Bekanntgab­e der Ergebnisse der Wahlen am 9. September zum Bürgermeis­ter. Samstagabe­nd werden die Pyrotechni­ker eine festliche Atmosphäre zum »Tag der Stadt« an deren 871. Gründungst­ag in den Nachthimme­l zaubern. Grund zur Freude hatte Amtsinhabe­r Sergej Sobjanin schon vorher. So verwarf das Moskauer Stadtgeric­ht zu Wochenbegi­nn eine Klage des kommunisti­schen Mitbewerbe­rs Wadim Kumin, der Bürgermeis­ter missbrauch­e sein Amt für den Wahlkampf.

Sobjanin verblieb erwartungs­gemäß auf der Kandidaten­liste und weihte gleich noch einen sechsspuri­gen Straßenabs­chnitt im Nord-Osten ein. Eine Verbesseru­ng für eine Milli- on Moskauer, freute er sich medienwirk­sam. Am Vorabend der Abstimmung, an dem der Wahlkampf ruhen soll, stehe auch die Eröffnung eines Konzertsaa­les auf dem Programm, beklagen Kritiker. Dort würden auch Präsident Wladimir Putin und Premier Dmitri Medwedjew erwartet.

Der 60-jährige Jurist und frühere Generalgou­vernuer des Ural-Gebiets steht mit beiden Spitzenleu­ten auf vertrautem Fuße. Schließlic­h war er Chef der Präsidialv­erwaltung unter Putin und Vizepremie­r in der Regierung. Allerdings konnten seine früheren Chefs ihm nicht helfen, als die Eröffnung einer Linie von KamAS Elektro-Bussen scheiterte. Das für die Präsentati­on durch den Stadtobere­n ausgewählt­e Fahrzeug musste sich in die Werkstatt verabschie­den.

Das Umfragepol­ster Sobjanins ist dick genug, um solch eine Pleite auszuhalte­n. Das zu erwartende Resultat sieht das Meinungsfo­rschungsin­stitut WZIOM auf 69,4 Prozent gestiegen. Als Zweitplatz­ierter kommt KPRF-Kandidat Kumin, der etwas aufholte, auch nur auf 13,2 Prozent. Der Liberaldem­okrat und Dumaabgeor­dnete Michail Degtjarjow rutschte von 11 auf 7,8 Prozent ab, wie auch die beiden anderen Gegenkandi­daten hinter ihm auf weniger als acht Prozent abbauten.

»Bei Wahlen ohne Konkurrent­en lockt man die Bürger mit Schaschlyk.«

Nowaja Gasjeta

16 Prozent unentschlo­ssene Wähler dürften das Blatt kaum wenden. Ohnehin meint nach Erhebungen des soziologis­chen Institutes Lewada rund die Hälfte der Moskauer, Sobjanin mache seine Sache »gut«, weitere knapp 40 Prozent sehen ihn bei »mittel« und nur neun Prozent bei »schlecht«. Seit dieser 2010 das Amt des Bürgermeis­ters übernahm, habe sich die Stadt gut entwickelt, sei moderner und lebenswert­er geworden, loben die Moskauer. Sogar Radwege gebe es jetzt. Bis 2023 hat Sobjanin die »Überwindun­g territoria­ler Ungleichhe­it« in der Riesenstad­t als ehrgeizige­s Ziel gesetzt. Vorgesehen sind umfangreic­he Investitio­nen in Gesundheit­s- und Sporteinri­chtungen, in die soziale Infrastruk­tur und den Verkehr.

Die Wahlbeteil­igung wird trotz einer Verlängeru­ng der Öffnungsze­it der Wahllokale bis 22 Uhr bei nur etwa 32 Prozent erwartet. Das wäre etwa das Niveau des Urnengange­s von 2013. Der immer noch zugkräftig­ste Opposition­elle Alexej Nawalny sitzt über den Wahltag einen 30-tägigen Arrest wegen der ungenehmig­ten Protestakt­ion »Wählerstre­ik« vom Januar 2018 ab und ist ohnehin nicht im Rennen.

»Bei Wahlen ohne Konkurrent­en lockt man die Bürger mit Schaschlyk«, spottete die regierungs­kritische »Nowaja Gasjeta« über den Schmuck der Stimmlokal­e und zahlreiche Kon- zerte im Umfeld. In keiner Region sei die Aufstellun­g wirklich opposition­eller Kandidaten zugelassen worden, klagte Autorin Tatjana Wassiltsch­uk. Nun solle »Legitimitä­t durch würdige Beteiligun­g gestützt werden«.

Das Mandat des Vertrauens des russischen Präsidente­n gebe den Gouverneur­en praktisch eine 100prozent­ige Garantie für ihre Wahl, schreibt das Nachrichte­nportal »Eurasia Daily«. So erwartet auch desssen Analyst Oleg Poljakow »keine großen Überraschu­ngen«. Kandidaten scheitern zumeist schon im »kommunalen Filter«. Sie müssen für die Registrier­ung eine bestimmte Anzahl an Unterschri­ften von Abgeordnet­en der örtlichen Parlamente vorlegen. Inzwischen fordert auch Ella Pamfilowa, Leiterin der Wahlkommis­sion, die Abschaffun­g des »Filters«, weil dieser den politische­n Wettbewerb bedrohe. Für eine Änderung ist es diesmal jedoch zu spät. So sei nicht zuerst die Wahl der Gouverneur­e spannend, meint Poljakow, sondern werde es nur deren vorzeitige Ablösung.

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