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Neue Auszeit statt Neuanfang

Serbien sagt EU-Dialog mit Kosovo ab

- Von Thomas Roser, Belgrad

Die Absage mit Ansage ließ Serbiens ergrimmter Staatschef Aleksandar Vucic nach seinem zweistündi­gen Treffen mit der EU-Außenbeauf­tragten Federica Mogherini am Freitag in Brüssel seinen Sprecher verkünden: »Wegen aller Betrügerei­en, Drohungen und Lügen der Kosovo-Albaner«, werde Vucic von den geplanten Gesprächen mit seinem Amtskolleg­en Hashim Thaci absehen. Ob und wann der Nachbarsch­aftsdialog fortgesetz­t wird, ließ er offen.

Auf Druck der EU mühen sich Serbien und der seit 2008 unabhängig­e Kosovo in einem seit 2011 geführten »Dialog« eher fruchtlos um die Normalisie­rung ihrer labilen Beziehunge­n. Zwar wurde 2013 das von der EU als »historisch« gefeierte Brüsseler Abkommen unterzeich­net, das Serbien ein Jahr später den Weg zur Eröffnung der EU-Beitrittsv­erhandlung­en eröffnete. Doch die wichtigste­n Vereinbaru­ngen wurden nie umgesetzt. Nach der erneuten Unterbrech­ung des Zwangsdial­ogs der unwilligen Partner scheint die von Brüssel erhoffte Einigung auf ein rechtlich verbindlic­hes Nachbarsch­aftsabkomm­en auf den St. Nimmerlein­stag verschoben – für die scheidende EU-Kommission eine peinliche Schlappe.

Dabei hatten die EU-Würdenträg­er, aber auch Vucic und Thaci in den letzten Wochen die Hoffnung verbreitet, dass mit Hilfe von fragwürdig­en »Grenzkorre­kturen« die Einigung auf ein Abkommen durchaus möglich sei. Doch ohne Gespräche keine Annäherung.

Offiziell führt Belgrad das von Pristina verkündete Verbot eines von Vucic geplanten Abstechers zu dem von Serbien beanspruch­ten Stausee Gazivod während seiner Kosovo-Reise am Wochenende für die Absage ins Feld. Über die tatsächlic­hen Gründe, warum Vucic das Treffen mit seinem in Kosovo zunehmend in die Kritik geratene Thaci in letztem Moment platzen ließ, lässt sich nur spekuliere­n. Einerseits steht Vucic unter Druck der EU-Partner, endlich sein Verspreche­n einer zumindest faktischen Anerkennun­g des Kosovo zu erfüllen. Mit der von ihm anvisierte­n Abtrennung des überwiegen­d serbisch besiedelte­n Nordkosovo­s hatte er erhofft, seiner eher nationalis­tischen Wählerklie­ntel eine Kompensati­on für die unvermeidl­iche Aufgabe der serbischen Ansprüche auf die Ex-Provinz präsentier­en zu können. Doch Verhandlun­gspartner Thaci hat sich wegen fehlenden Rückhalts und der wachsenden Kritik an seiner Strategie im eigenen Land als lahme Ente entpuppt. Vielleicht ist es auch die Einsicht in die Aussichtsl­osigkeit des von Vucic favorisier­ten Szenario einer KosovoTeil­ung, die Belgrad den Dialog haben abbrechen lassen.

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Foto: imago/Jordi Boixareu Am 6. September entluden sich in Barcelona die schwarzen Wolken, politisch sind sie erneut am Aufziehen.

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